Eine Drohne über Kiew – seit Tagen fliegt Russland verstärkt Angriffe mit den Fluggeräten.
Eine Drohne über Kiew – seit Tagen fliegt Russland verstärkt Angriffe mit den Fluggeräten. AFP/Yasuyoshi CHIBA

Russland greift in der gesamten Ukraine verstärkt mit Kamikaze-Drohnen an, zerstört gezielt die Infrastruktur und verbreitet Terror unter Zivilisten. Kann Russland mit den mutmaßlich iranischen Drohnen den Krieg jetzt zu seinen Gunsten wenden? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den zerstörerischen Fluggeräten:

Was sind Kamikaze-Drohnen?

Kamikaze-Drohnen oder Selbstmorddrohnen sind klein, tragbar und können leicht gestartet werden. Ihr Hauptvorteil ist aber, dass sie schwer zu entdecken sind und aus einer Entfernung von bis zu 2500 Kilometern abgefeuert werden können. Sie sind in der Lage, einige Zeit über einem Gebiet zu kreisen, bevor ihr Ziel identifiziert wird und sie schließlich darauf herabstürzen.

Der Name „Kamikaze“ bezieht sich darauf, dass die Drohnen als „Einwegwaffe“ am Zielort explodieren und vernichtet werden, während traditionelle Militärdrohnen nach dem Abwurf von Raketen zur Basis zurückkehren.

So funktioniert die Kamikaze-Drohne Shahed-136
So funktioniert die Kamikaze-Drohne Shahed-136 dpa-infografik GmbH

Welche Drohnen setzt Russland in der Ukraine ein?

Die Ukraine und der US-Geheimdienst sind überzeugt, dass Russland im Iran hergestellte Shahed-Angriffsdrohnen einsetzt. „Shahed“ bedeutet auf Arabisch „Märtyrer“. Russland benennt sie allerdings in „Geran-2“ um. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vermutet, dass Russland insgesamt 2400 Schahed-136-Drohnen im Iran bestellt hat. Der Iran dementiert jedoch jegliche Lieferungen. Die EU sieht jedoch dafür hinlänglich Beweise und verhängte deshalb trotzdem Sanktionen gegen Teheran.

Laut eigenen Angaben hat die ukrainische Armee seit Mitte September 223 der iranischen Schahed-136-Drohnen unschädlich gemacht. Allein in der Nacht zum Mittwoch seien in der südukrainischen Region Mykolajiw zwölf dieser Drohnen abgeschossen worden. Weil sie so laut sind und ähnlich klingen, haben die Ukrainer die Fluggeräte „Mopeds“ getauft.

Die Shahed-Drohnen sind vergleichsweise billig und kosten mit etwa 20.000 US-Dollar nur einen Bruchteil eines Marschflugkörpers, der zwischen 600.000 und einer Million US-Dollar kostet.

Was bezweckt Russland mit dem Drohnen-Krieg?

Die Shahed-Drohnen können bis zu 60 Kilo Sprengstoff tragen und erheblichen Schaden anrichten. Allerdings eignen sie sich nicht zur Zerstörung militärischer Ziele, weil sie keine beweglichen Ziele anfliegen können. Deshalb setzen die Russen sie gegen Städte ein. Ziel ist dabei, Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten.

Kremlchef Wladimir Putin zeigt damit: Der Krieg findet nicht nur an der Frontlinie statt, wir können jederzeit jedes Ziel in der Ukraine erreichen. Und nirgends können sich die Bewohner sicher fühlen. Außerdem setzt Moskau auf die Drohnen, um die Infrastruktur und die Energieversorgung der Ukraine vor dem Winter zunichtezumachen. Binnen weniger Tage wurden 40 Prozent aller Kraftwerke zerstört. Kiew reagierte mit einem landesweiten Strom-Stopp auf das Ausmaß der Zerstörung.

Eine Wende des Krieges zugunsten Moskaus erwarten Experten durch den Drohnen-Krieg jedoch nicht, vor allem weil sie die keinen Gebietsgewinn bringen. Die russische Hoffnung ist, die Ukraine durch das resultierende Leid der Zivilbevölkerung zu schwächen und zu Zugeständnissen zu zwingen. Doch bisher ist der Durchhaltewillen der Ukrainer ungebrochen.

Wie kann sich die Ukraine gegen diese Drohnen wehren?

Die Drohnen-Angriffe offenbaren die Lücken der Ukraine in der Luftabwehr. Selenskyj fordert unermüdlich mehr Waffen, denn Kiew habe nur etwa zehn Prozent dessen, was es brauche, um sich zu verteidigen. Westliche Nationen haben Systeme versprochen, die Drohnen abschießen können, aber ein Großteil wurde noch nicht geliefert. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versprach Hilfe. Das Bündnis werde Kiew „in den kommenden Tagen“ Systeme liefern, um die Ukraine zu unterstützen.