Der Bahnhof von Przemysl. Hier kommen zahlreiche Geflüchtete aus der Ukraine an.
Der Bahnhof von Przemysl. Hier kommen zahlreiche Geflüchtete aus der Ukraine an. dpa/David Josek

Man wunderte sich schon etwas, nahm es aber als positiven Sinneswandel hin: Nachdem Wladimir Putin einen Krieg in der Ukraine entfesselte, erklärte sich vor allem Polen, aber auch andere Staaten Osteuropas, schnell bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Ausgerechnet die Staaten, die sich seit Jahren gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen Ländern wehren. Das Motiv dahinter scheint klar: Rassismus. Das zeigt sich auch im Ukraine-Krieg.

Krieg in der Ukraine: Tausende Studenten aus Afrika wollen Land verlassen

Denn in der Ukraine leben eben nicht nur Menschen, die auch dort geboren sind. Über das ganze Land verteilt leben auch Tausende Studenten aus afrikanischen Staaten, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die meisten von ihnen kommen aus Marokko, Ägypten, Ghana und Nigeria. Sie studieren Medizin oder Ingenieurwissenschaften. Die Ukraine wählten sie, weil viele Unis tatsächlich einen guten Ruf haben, aber auch, weil die Lebenserhaltungskosten günstiger sind als in Westeuropa.

Auch sie haben nun Angst vor den russischen Angriffen – und auch sie versuchen, das Land zu verlassen. Doch eine Flucht per Flugzeug in die Heimat ist längst unmöglich. Bereits im Verlauf des Donnerstags kam der zivile Flugverkehr in dem vom Krieg gebeutelten Land zum Erliegen.

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Freiwillige Helfer haben sich an der Grenze eingefunden, um Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen.
Freiwillige Helfer haben sich an der Grenze eingefunden, um Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen. AFP/Wojtek Radvanski

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Viele zieht es daher gen Westen. Wie viele Ukrainer versuchen sie, nach Polen zu kommen, um dort ein Flugzeug in die Heimat zu besteigen. Doch anders als die Ukrainer werden die afrikanischen Studenten nicht mit offenen Armen empfangen. Im Gegenteil: Auf Twitter mehren sich Stimmen, die behaupten, dass sie gar an der Grenze abgewiesen werden – und so im Kriegsland Ukraine bleiben müssen.

Krieg in der Ukraine: Nigerianer beklagen Abweisung an polnischer Grenze

Zusammengetragen wurden einige dieser Berichte von der „Foundation for Investigative Journalism“, einem nigerianischen Rechercheverband, der vornehmlich über soziale Ungerechtigkeit in Nigeria berichtet. Dort heißt es: „Viele Nigerianer sind bis zu 25 Kilometer zu Fuß gegangen, um nach Polen zu kommen. Doch trotz stundenlanger Wanderung verweigerte Polen ihnen die Einreise.“

Zitiert wird eine Twitter-Userin, die sagt, sie habe in der Ukraine studiert. An der polnischen Grenze habe man ihr dann gesagt, dass „sie keine schwarzen Personen ohne Visa ins Land“ lassen. Und das, obwohl sie alle legal in der Ukraine seien. Die polnischen Grenzer hätten nicht einmal die Dokumente der Studierenden geprüft, sondern sie einfach abgewiesen – schlicht wegen ihrer Hautfarbe.

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Weitere Stimmen geben allerdings nicht nur den polnischen Grenzern, sondern auch der nigerianischen Regierung eine Mitschuld an ihrem Stranden im Kriegsland. Denn offenbar hatte die Regierung es versäumt, die polnische Regierung darauf aufmerksam zu machen, dass auch zahlreiche nigerianische Studenten die Ukraine über Polen verlassen wollen. Eine Entschuldigung dafür, nicht einmal die Dokumente zu prüfen, ist das freilich nicht.

Inzwischen sollen die Botschaften mehrerer afrikanischer Staaten eine Übereinkunft mit den polnischen Behörden getroffen haben, die es den Studenten erlaubt, aus der Ukraine einzureisen. Die nigerianische Botschaft veröffentlichte dazu eine Handreichung, an welchen Grenzübergängen die Einreise am wahrscheinlichsten ist. Ob die Vereinbarung überall umgesetzt wird, kann derzeit niemand seriös sagen.

Im Netz kursieren allerdings Videos, die zeigen, dass die Behörden es afrikanischen Studenten kaum ermöglichen, ins sichere Polen zu gelangen. Es finden sich zahlreiche Stimmen, die davon berichten, dass Ukrainer reingelassen werden, während andere lange warten müssen. Ein Video zeigt dabei, wie die Menschen auch mit Waffen bedroht werden.

Auch ukrainische Behörden erschweren afrikanischen Studenten die Flucht

Doch es sind ohnehin nicht nur die polnischen Grenzbehörden, die die afrikanischen Studenten daran hindern, das Land zu verlassen und damit ihr Leben zu retten. Ein Student berichtet der „Foundation for Investigative Journalism“, dass ukrainische Behörden wiederum schwarze Menschen aus den Zügen in Richtung der polnischen Grenze geholt hätten. „Nur wegen meiner Hautfarbe durfte ich nicht in den Zug“, beschwert er sich.

Die Züge seien voll gewesen mit weißen Menschen, die in Richtung des Nato-Staates unterwegs waren. Aus anderen ukrainischen Städten gibt es ähnliche Berichte. Ein Twitter-User schreibt: „In den Bahnhöfen in Kiew gibt es eine Reihenfolge: Kinder, Frauen, Männer – und die Plätze, die übrig bleiben, dürfen mit Afrikanern besetzt werden.“

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Rassismus spielt also auch bei der Flucht aus der Ukraine eine große Rolle. Wer weiß ist, darf sein Leben retten, wer schwarz ist, darf sehen, wo er bleibt. Besonders deutlich wird diese Doppelmoral in einem Interview des bulgarischen Ministerpräsidenten Kiril Petkow, auf das der bulgarischstämmige Migrationsforscher Tihomir Sabchev aufmerksam macht.

Bulgariens Präsident Petkow offen rassistisch

Auf die Frage, ob sein Land, das bislang der Aufnahme von Flüchtlingen kritisch gegenüberstand, bereit sei, Menschen aus der Ukraine aufzunehmen, sagte er demnach: „Das sind nicht die Flüchtlinge, an die wir gewöhnt sind.“ Er sprach davon, dass die Flüchtlinge, die nun kämen, „intelligente Menschen“ seien und keine „mit obskurer Vergangenheit, vielleicht Terroristen“.

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Petkow, dessen Land sich stets offen gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen gestellt hatte, macht hier keinen Hehl aus seinen rassistischen Motiven. Geflüchtete aus der Ukraine empfängt er mit offenen Armen, kommen sie aus Syrien, sind für ihn alles potenzielle Terroristen. Und das, obwohl sie alle eins gemeinsam haben: Sie fliehen vor Putins Bomben.