Schritt in den Abgrund

Pulverfass Bosnien droht zu explodieren – mischt Putin mit?

Die serbische Teilrepublik in Bosnien will die Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht mehr anerkennen. Steckt Putin dahinter?

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Der Präsident der Republika Srpska war im Mai bei Russlands Diktator Wladimir Putin zu Besuch.
Der Präsident der Republika Srpska war im Mai bei Russlands Diktator Wladimir Putin zu Besuch.SNA/Imago

Es ist ein ewig köchelndes Pulverfass und erneut haben die Serben die Lunte angezündet! Das Parlament der Republika Srpska, der serbischen Teilrepublik in Bosnien-Herzegowina, hat unter Präsident Milorad Dodik beschlossen, die Entscheidungen des gesamtstaatlichen Verfassungsgerichts nicht mehr anzuerkennen. 

Der Beschluss kommt in einer Phase der zunehmenden Instabilität auf dem Balkan. Im Nachbarland Serbien gibt es seit Monaten Proteste gegen den autokratisch regierenden Präsidenten Aleksandar Vučić. Zudem unterhält der Chef der serbischen Teilrepublik (RS) gute Verbindungen nach Moskau. Eine Eskalation fürchten EU-Politiker daher schon länger.

Bosnier fordern Absetzung des Präsidenten der serbischen Teilrepublik

Nach der Entscheidung in der Republika Srpska forderte Denis Bećirović, der Vertreter der Bosniaken im Staatspräsidium, den Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina auf, Dodik seines Amtes zu entheben. Derzeit ist der CSU-Politiker Christian Schmidt Hoher Repräsentant.

Bisher hat das Büro des Hohen Repräsentanten die Entscheidung der RS lediglich verurteilt.„ Solche Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung von Bosnien und Herzegowina stellen eine schwere Verletzung des Allgemeinen Rahmenabkommens für den Frieden und folglich des Friedens und der Stabilität selbst dar“, so eine Pressemitteilung.

Bosniens Ex-Verfassungsrichter Vlado Adamović warnte ausdrücklich: „Wenn ein Zugeständnis in der Art gemacht wird, dass dieses Gesetz toleriert wird, dann ist es der endgültige Zerfall des Landes.“

Ob Schmidt den Schritt dennoch vollzieht, ist unklar. Dodik erkennt den Hohen Repräsentanten ohnehin nicht an und nennt ihn den „Touristen in Sarajewo“. Schmidt braucht daher die Unterstützung der EU und der USA, da er sonst sehr schnell als machtlos dastehen könnte.

Massengrab für ermordete Bosnier in Srebrenica im Gebiet der serbischen Teilrepublik.
Massengrab für ermordete Bosnier in Srebrenica im Gebiet der serbischen Teilrepublik.Pixsell/Imago

Kroaten warnen vor Zerfall des bosnischen Staates

Derweil hat auch die Kroatische Nationalversammlung, die Vertretung der meisten Kroaten in Bosnien-Herzegowina, den Schritt der serbischen Teilrepublik verurteilt. Die Kroaten bilden zusammen mit den Bosniern den anderen Teilstaat Bosnien -Herzegowinas.

Die Kroaten drängen in ihrer Erklärung darauf, dass fehlende Richter am Verfassungsgericht Bosnien-Herzegowinas dringend nachbesetzt werden.

Nutzen Serben den russischen Krieg in der Ukraine aus?

Die Verwerfungen in dem Vielvölkerstaat kommen zur Unzeit. Beobachter warnen, dass die Serben in Bosnien den russischen Krieg in der Ukraine nutzen könnten, um ihrerseits den Konflikt in Bosnien-Herzegowina eskalieren zu lassen und sich vom bosnischen Gesamtstaat abzuspalten. Gerade war Milorad Dodik bei seinem Geistesbruder Wladimir Putin in Moskau zu Besuch.

Offiziell ging es laut dem Kreml um die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Russland und der Republika Srpska. Dodik verteidigte jedoch Russlands Angriff auf die Ukraine als „Notwendigkeit“. Eine Eskalation in Bosnien könnte Putin erheblich nutzen, da Europa und die USA sich so auf einen weiteren Konfliktherd konzentrieren müssten.

Die Republika Srpska ist mehrheitlich von Serben bewohnt, nachdem serbische Paramilitärs im Bosnienkrieg in grausamen ethnischen Säuberungen Bosnier und Kroaten aus vielen Gebieten vertrieben und ermordeten. In Massakern wie in Srebrenica wurden tausende Bosnier, zum Teil unter den Augen der Weltgemeinschaft, ermordet. In der RS werden viele der beteiligten Kriegsverbrecher bis heute als Volkshelden verehrt.