Protestwelle in Ostdeutschland gegen Krieg und Energiekrise: Ramelow warnt vor „neuer faschistischer Bewegung“!
Thüringer Ministerpräsident hält die Proteste in Ostdeutschland für „sehr gefährlich“.

„Schluss mit der Gasliefer-Lüge“, „Wir retten nicht die ganze Welt“ oder „Preisexplosionen stoppen für Frieden, Freiheit und Wohlstand“: Mit solchen Slogans ziehen in Ostdeutschland seit Wochen immer wieder Protestmärsche durch die Straßen. Tausende Teilnehmer demonstrieren gegen die Energiepolitik der Bundesregierung, gegen Inflation und die Folgen des Ukraine-Kriegs. Allein am Montagabend waren es in Mecklenburg-Vorpommern rund 7000 Menschen in 15 Städten.
Immer wieder wehen dabei Russland-Flaggen, Demonstranten fordern mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Friedensverhandlungen, ein Stopp für Waffenlieferungen an die Ukraine und eine Rücknahme der Sanktionen gegen Moskau.
AfD kollaboriert mit rechtsextremem Milieu
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält diese anhaltende Protestwelle in Ostdeutschland für „sehr gefährlich“. „Es entsteht eine neue Pegida“, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Da hat sich alles versammelt, was irgendwie zum rechten Spektrum gehört – das reichte bis ins tiefste rechtsextreme Milieu.“
Ramelow warnte, dabei führten Aktivitäten rechter Gruppierungen wie der Freien Sachsen und Freien Thüringer im Schulterschluss mit der AfD „zur Bildung einer neuen öffentlich sichtbaren faschistischen Bewegung“. Die Ängste der Menschen würden instrumentalisiert.
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Und das mit sichtbarem Erfolg: Die Zahl der Teilnehmer bei den Protestaktionen wächst stetig, wenn auch nicht besonders sprunghaft. Und bei ihren Forderungen mischen sich immer wieder Klagen über hohe Gas- und Stromrechnungen mit Breitseiten gegen die Ampel, allgemeiner Verdruss mischt sich mit grundsätzlichen Zweifeln am demokratischen System, Empörung über den Ukraine-Krieg mit Kritik an den westlichen Russland-Sanktionen.
Rechte Gruppen nutzen Unzufriedenheit für ihre Zwecke
In die Unzufriedenheit klinken sich rechte Gruppen ein. „Die berechtigten Sorgen und Nöte der Bürger dienen den Rechtsextremisten nur als Vehikel für ihre verfassungsfeindliche Agenda“, sagt der sächsische Verfassungsschützer Dirk-Martin Christian. Rechte Strukturen hätten sich in der Migrations- und der Corona-Zeit in ländlichen Regionen etabliert - nicht nur die AfD, sondern auch rechtsextreme Gruppen wie die Freien Sachsen. Die Strukturen würden jetzt wieder genutzt, nur für ein anderes Thema.
Ein Teil der Protestakteure, die jetzt auf die Straße gehen, habe bereits im Corona- und Querdenken-Protest-Milieu agiert, so der Magdeburger Rechtsextremismus-Experte David Begrich. Zur Erklärung der gegenwärtigen Krise würden zum Teil wortgleiche Ideologie-Bausteine herangezogen, sagte Begrich. So werde etwa erneut die Verschwörungstheorie bedient, die Krise sei von den Regierenden mit Absicht und planvoll ins Werk gesetzt worden.
Begrich rechnet wie auch das Bundeskriminalamt und Verfassungsschützer mit einer Zunahme der Demonstrationen in den kommenden Wochen: „Wir sind gewiss erst am Beginn eines möglichen Protestzyklus.“