Billig kommt uns alle teuer
Der Schaden für die EU-Staaten durch nachgemachte Waren geht in die Milliarden.

Klar, das beim Mittelmeer-Urlaub billig geschossene Polohemd mit Krokodil ist original. Jede Rolex, die an einem deutschen Handgelenk blinkt, ist echt. Die übers Internet bestellte blaue Pille für den Herrn hat befriedigend gewirkt. Dass das nicht so ist, zeigt der neueste Bericht des in Spanien angesiedelten EU-Amts für geistiges Eigentum (EUIPO), die gegen Produktfälschungen auftritt. Die zunehmenden und technisch immer aufwendigeren Aktivitäten der Fälschungsmafia verursachen für Staaten und Firmen nicht nur Milliardenschäden, sondern sind ein Sicherheitsrisiko.
„Wie unsere gemeinsame Arbeit mit Europol zeigt, können die Erlöse aus Fälschungen auch die schwere organisierte Kriminalität wie etwa den Drogenhandel unterstützen“ - und Terrorismus finanzieren, warnt der Chef des Amts, Christian Archambeau.
Nach Schätzungen von EUIPO entgehen den 27 Staaten der EU wegen der vielen Fälschungen Steuereinnahmen in Höhe von insgesamt 15 Milliarden Euro pro Jahr. Geld, das dann etwa für Soziales und Gesundheit fehlt.
Die Fälscher verursachen allein für die Unternehmen in den vier besonders betroffenen Branchen Kosmetik und Körperpflege, Weine und Spirituosen, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Spielwaren und Spiele jährliche Umsatzeinbußen von bis zu 19 Milliarden Euro. In Deutschland verlieren diese vier Branchen den Untersuchungen zufolge 2,3 Milliarden Euro pro Jahr.
Und es wird immer schlimmer. Seit der Analyse im vergangenen Jahr hätten die Umsatzeinbußen allein in der Kosmetik- und Körperpflegebranche um mehr als 2,5 Milliarden auf 9,6 Milliarden Euro zugenommen, hieß es. Diese Summe entspreche 14,1 Prozent des Gesamtumsatzes des Sektors in der EU.

Aber es geht nicht nur um Geld. Das EUIPO weist auch auf Gesundheitsrisiken hin, die die Fälschungen vor allem von Medikamenten, Kosmetika und gefährlichen Spielzeugen bergen. Im Zuge des Ausbruchs der Corona-Pandemie hätten sich Verbrecher verstärkt der Fälschung von Testkits und Schutzausrüstung fragwürdiger Qualität zugewandt. Sie hätten sogar gefälschte Arzneimittel in Umlauf gebracht, die angeblich gegen Covid-19 helfen sollen. Die gibt es nicht.
Bei nicht weniger als 97 Prozent der an den EU-Außengrenzen sichergestellten und als gefährlich eingestuften Fälschungen seien ernsthafte Risiken festgestellt worden. Es habe sich darunter nicht nur um Medikamente oder Kosmetika gehandelt, sondern unter anderem auch um beispielsweise mit Schadstoffen belastetes Spielzeug, Babyartikel oder Kinderbekleidung.

Viele Konsumenten machen sich beim Kauf eines gefälschten Produkts nicht viele Gedanken. Man bekommt Imitate, die dem Original oft täuschend ähnlich sehen, für wenig Geld. Archambeau, der mehr koordinierte Abwehrmaßnahmen der EU fordert, kritisiert das: „Fälschungen sind keine opferlosen Straftaten.“ So würden mindestens 671.000 Jobs in der EU vernichtet.
Der deutsche Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) klagt, dass fast sieben Prozent der in die EU importierten Waren inzwischen Fälschungen seien, und es kaum Risiko für die Fälscher gebe. Die liefern auf Online-Bestellungen per Post: Über 80 Prozent der 2019 entdeckten Fake-Produkte wurden in Postsendungen gefunden, steht in der deutschen Zollstatistik.