Boris Johnson hat im Londoner Unterhaus wegen vieler Skandale und maßloser Teuerung keinen Spaß mehr.
Boris Johnson hat im Londoner Unterhaus wegen vieler Skandale und maßloser Teuerung keinen Spaß mehr. dpa/PA Media/UK Parliament/Jessica Taylor

Fliegt Boris Johnson als britischer Premier aus dem Amt? Zerfällt das „Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland“? Wahlen am Donnerstag könnten die Antworten geben – schnell auf die erste, eher langfristig auf die zweite Frage.

Kurz vor den Kommunalwahlen in Großbritannien sprechen die Schlagzeilen und Umfragen gegen Johnson. Sollte seine Konservative Tory-Partei ein schlechtes Ergebnis erzielen, dürfte der interne Rücktritts-Druck auf Johnson steigen.

Der erste Premier, der im Amt gegen ein Gesetz verstieß

Die Affären um verbotene Partys während des Corona-Lockdowns im Regierungssitz Downing Street („Partygate“) sowie einen korrupten Tory-Abgeordneten hätten das politische Klima verändert, sagt der Glasgower Politikwissenschaftler John Curtice. In einem Partygate-Fall musste Johnson bereits eine Geldstrafe zahlen - er ist damit der erste Premier, der im Amt gegen das Gesetz verstieß.

Nun vermischt sich sogar noch der eine Skandal mit einem anderen: Ende 2020 soll auf einer Weihnachtsfeier in der Downing Street ein Spaßpreis für den „Sexisten des Jahres“ verliehen worden sein. Das Sexismus-Problem der Tories ist damit ausgerechnet kurz vor den „local elections“ noch größer geworden.

Denn noch immer empört sich das Land über Vorwürfe anonymer Konservativer. Sie hatten Angela Rayner, Vizechefin der Oppositionspartei Labour, bezichtigt, den ihr im Parlament gegenüber sitzenden Johnson im Parlament gezielt mit ihren Beinen abzulenken. Und dann musste der Tory-Abgeordnete Neil Parish zurücktreten, weil er im Parlament einen Porno auf dem Handy geschaut hatte.

„Johnson war mal ein echtes Pfund bei Wahlen, aber das ist nicht mehr der Fall“, sagt die Londoner Politikwissenschaftlerin Sara Hobolt. Er hinke in Umfragen hinter seiner Partei hinterher. Das einzige, was Johnson derzeit noch den Job rette, sei, dass es in seiner Partei niemanden gebe, der ihn ersetzen könne.

Energiekosten stiegen um 50 Prozent

Die Regierung steht auch in der Kritik, weil sie keine Mittel gegen die Lebenskostenkrise findet. Die Energiekosten sind um gut 50 Prozent in die Höhe geschnellt. Die Abgaben zur Sozialversicherung wurden angehoben, Lebensmittel werden teurer.

Die Regierung verweist stets auf gute Wirtschaftsdaten und eine Rekordzahl freier Stellen. Doch war die Konjunktur zuvor auch wegen des Brexits stärker eingebrochen als anderswo, und wegen strenger Einwanderungsregeln seit dem EU-Austritt gibt es niemanden, der die offenen Jobs übernehmen könnte.

Mehrheit für die Einheit Irlands?

Der Brexit spielt auch in Nordirland eine Rolle, das zwar als Teil des Vereinigten Königreichs mit aus der EU ausgetreten ist, aber wegen seiner offenen Grenze zur Republik Irland eine Art Zwitterposition hat. In Nordirland wird nun gleichfalls am Donnerstag ein neues Regionalparlament gewählt.

Michelle O'Neill strebt mit ihrer Partei Sinn Fein ein Referendum an, ob die Nordiren Teil der Republik Irland werden wollen.
Michelle O'Neill strebt mit ihrer Partei Sinn Fein ein Referendum an, ob die Nordiren Teil der Republik Irland werden wollen. dpa/PA Wire/Liam Mcburney

In den Umfragen führt mit 26 Prozent die republikanische Partei Sinn Fein, die auch in der Republik vertreten ist. „Wir glauben an die irische Einheit. Aber es wird die Öffentlichkeit sein, die in dieser Frage eines Tages das Sagen hat“, sagte Spitzenkandidatin Michelle O'Neill kurz vor der Wahl in einem Interview. Ihre Partei will ein Datum für ein Referendum – eine sogenannte „Border Poll“ – in den kommenden Jahren ansetzen, so steht es im Wahlprogramm.

Die Frage hatte bis 1998 zu einem blutigen Bürgerkrieg im Norden geführt, zwischen den weitgehend protestantischen Unionisten, die bei der Londoner Krone bleiben wollen, und den katholischen Nationalisten, die nach Dublin streben. Die einen versammeln sich heute unter der Fahne der Partei DUP, die anderen unter der von Sinn Fein.

Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die die Alliance Party wählen wollen, eine neue Partei, denen der uralte Widerspruch zwischen Unionisten und Republikanern zu rückwärtsgewandt ist.