Die Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen wurde bereits als Corona-Impfzentrum genutzt, im Winter soll sie zur Wärmehalle werden.
Die Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen wurde bereits als Corona-Impfzentrum genutzt, im Winter soll sie zur Wärmehalle werden. dpa/Stadt Ludwigshafen

Was passiert, wenn Kremlchef Wladimir Putin wirklich den Gashahn ganz zudreht? Die deutsche Industrie blickt voller Sorge auf die mehrtägige, jährlich wiederkehrende Wartung der Pipeline Nord Stream 1 ab Mointag. Dann fließt durch die wichtigste Verbindung kein russisches Gas mehr nach Deutschland. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürchtet, die Wartung könnte dazu genutzt werden, die Leitung auf Dauer abzuschalten.

Aus Corona-Impfzentren werden Wärmehallen

Industrie und Städte rüsten sich für den möglichen Gasstopp. Vor allem in der energiehungrigen Chemie- und Pharmaindustrie wächst die Sorge. Die Branche ist mit einem Anteil von 15 Prozent größter deutscher Gasverbraucher.

Auch immer mehr Städte entwerfen Notfallpläne. Der Landkreis Ludwigsburg (Baden-Württemberg) und die Stadt Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) bereiten sogenannte Wärmehallen vor, in denen sich Bürger aufwärmen können, die sich das Heizen nicht mehr leisten können. Denkbar sind diese Zufluchtsorte in Feuerwehr-, aber auch in Sport- oder Gemeindehallen.

Gassperre für Verbraucher verhindern

Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) will indes dafür sorgen, dass keiner Strom- und Gassperren fürchten muss. „Es kann passieren, dass die Bundesnetzagentur im absoluten Krisenfall Energieunternehmen erlaubt, gestiegene Preise trotz Preisgarantie an die Verbraucher weiterzugeben“, sagte Lemke der „Bild am Sonntag“. Doch dann dürfe niemandem der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit einer Rechnung in Verzug ist.

Bei all der Angst vor dem Notfall gibt es aber auch Anzeichen dafür, dass eine schwere Gaskrise doch noch abgewendet werden könnte. Nach langem Zögern macht Kanada den Weg frei für die Lieferung der gewarteten Siemens-Turbine für die Gaspipeline Nord Stream 1.

Die Regierung macht eine Ausnahme von den Russland-Sanktionen und schickt die Turbine zunächst nach Deutschland. Offiziell hatte Russland die Gas-Drosselung mit der fehlenden Turbine begründet und kündigte am Freitag an, den Hahn wieder voll aufzudrehen, falls sie jetzt doch geliefert würde.

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Wirtschaftsforscher sehen vorerst keinen Gasengpass

Und auch von Wirtschaftsforschern kommen verhalten optimistische Töne: Der Diagnose mehrerer Institute nach droht selbst bei einem sofortigen Stopp von Nord Stream 1 auch im ungünstigsten Fall dieses Jahr kein Gasengpass mehr und 2023 auch nur in eher ungünstigen Szenarien. Bei Lieferstopp im Juli ergebe sich für 2023 im schlimmsten von 1000 Szenarien eine Gaslücke von 157.600 Gigawattstunden, hieß es.

Noch im April hatten die Wirtschaftsforscher deutlich stärkere Folgen eines sofortigen Lieferstopps ausgemacht. Grund sind die inzwischen weiter aufgefüllten Gasspeicher. Im April waren sie zu 58 Prozent gefüllt, inzwischen sind es 63,4 Prozent.