Polizei braucht Hilfe: Nachwuchs bleibt aus
Altersgrenzen steigen, Mindestgrößen schrumpfen: Wie die Bundesländer die Lücken bei der Polizei schließen wollen.

Der Fachkräftemangel erreicht die Polizei: Einige Bundesländer haben Schwierigkeiten bei der Nachwuchsgewinnung, zeigt eine dpa-Umfrage. Die Zahl junger Frauen und Männer, die zur Polizei wollen, sinkt vielerorts trotz Werbekampagnen und aufgeweichter Bedingungen bei Alter, Körpergröße oder Schulnoten.
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Einen Rückgang bei den Bewerberzahlen gab es seit 2019 beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg, in Hessen und Niedersachsen sowie in Rheinland Pfalz.
Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind der demografische Wandel und der daraus resultierende Personalmangel, den auch andere Arbeitgeber spüren, nicht die einzigen Ursachen für das Problem. Sie verweist auf die Pensionswelle, „die längst über die Polizei schwappt“ und fordert eine „Attraktivitätsoffensive“.
„Es muss intensiv und offensiv deutlich gemacht werden, wofür die Polizei in diesem Land steht“, meint der GdP-Bundesvorsitzende, Jochen Kopelke. Leider werde oft tatenlos zugeschaut, wie online „kübelweise Spott oder Hass und Hetze“ über der Polizei ausgekippt würden.
Polizist dann doch nicht der richtige Beruf
Was die Besetzung der offenen Stellen zusätzlich erschwert, ist die schwer vorhersehbare Zahl von Anwärtern, die nach begonnenem Vorbereitungsdienst feststellen, dass der Job wohl doch nicht das Richtige für sie ist.

Manche steigen schon früher aus. Oder es melden sich von vornherein zu wenige, die den Anforderungen entsprechen. „Die für die Ausbildung verantwortliche Bereitschaftspolizei hätte 2022 zusätzlich noch rund 60 Ausbildungsplätze besetzen können“, heißt es etwa aus Bayern Innenministerium.
Der Kreis der potenziellen Bewerber ist bei einzelnen Polizeibehörden zuletzt aufgrund neuer Regelungen zur Mindestkörpergröße gewachsen. Hintergrund der Anpassung sind auch Gerichtsurteile. In Baden-Württemberg kann die Mindestgröße von 1,60 Meter beispielsweise seit 2019 um zehn Zentimeter unterschritten werden. In Hessen reichen 1,55 Meter. Bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt (BKA) und in einigen Ländern gibt es gar keine Mindestgröße mehr.
Mit 42 Jahren noch zur Polizei
Bewerber dürfen inzwischen ziemlich alt sein: In Schleswig-Holstein 42 statt 32 Jahre, für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in Hessen 37 Jahre. In Bayern dagegen ist die Obergrenze 30 Jahre.
Teilweise wurden auch andere Hürden gesenkt. Wer beispielsweise Kommissar beim BKA werden will, muss für das Studium auf dem Abschlusszeugnis aktuell einen Schnitt von mindestens 2,8 erreichen.
Dass verstärkte Anstrengungen auch zu mehr Bewerbungen führen, zeigt Thüringen. Nachdem 2021 nur 260 statt wie geplant 300 Anwärter eingestellt werden konnten, wurde unter anderem die Möglichkeit einer Online-Kurzbewerbung geschaffen. Das Defizit an Neueinstellungen konnte dann im Oktober 2022 laut Innenministerium mehr als ausgeglichen werden.
In Berlin steigt jeder sechste Jungpolizist vor dem Abschluss aus
Die Berliner Polizei hat schon länger Probleme mit zu wenig guten Bewerbern für die Ausbildung von derzeit etwa 1200 neuen Polizisten pro Jahr. Genügend Interessierte gibt es zwar, doch ein Großteil fällt bei den Prüfungen durch, besonders wegen Unsportlichkeit oder schlechter Deutsch-Kenntnisse. Während der Ausbildung steigt etwa jeder Sechste aus.
Die GdP in Berlin teilte Woche mit, der Rückgang der Zahl qualifizierter Bewerber sei in einigen Bereichen „dramatisch“. Mitschuld daran seien Teile der Politik, die der Polizei „seit Jahrzehnten mit großem Misstrauen“ gegenüber stehe.

„Alle Polizisten sind schön“
Für Aufsehen sorgten jüngst Plakate auf dem Alexanderplatz. Als Teil ihrer Nachwuchswerbung hatte die Bundespolizei dort Fotos von Polizisten mit dem Spruch „All Cops Are Beautiful“ (Alle Polizisten sind schön) platziert. Eine Anspielung auf den unter anderem bei Hooligans und Linksautonomen beliebten Slogan „All Cops are Bastards“, kurz ACAB.
Bei der französischen Polizei kam das gut an. Am 60. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages am vergangenen Sonntag postete sie die Plakate auf ihrem Twitter-Account mit dem Begleittext „Unsere Freunde seit 60 Jahren haben absolut Recht: All Cops Are Beautiful.“