Außenministerin Annalena Baerbock  am Tisch mit ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau: Bei dem Treffen ging es auch um die Reparationsforderungen. 
Außenministerin Annalena Baerbock  am Tisch mit ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau: Bei dem Treffen ging es auch um die Reparationsforderungen.  dpa/Christoph Soeder

Ihr Besuch in Polen: Für Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sah das Treffen mit ihrem Amtskollegen Zbigniew Rau an diesem Dienstag in Warschau alles andere als einfach aus. Eine offizielle Forderung in Form einer diplomatischen Note stand im Raum, in dem die polnische Regierung Reparationsforderungen in Billionenhöhe für Schäden und Opfer während des von Nazi-Deutschland ausgelösten Zweiten Weltkriegs von der Bundesregierung verlangte. Mit viel diplomatischen Geschick wies Baerbock die Forderungen zurück.

Die Frage nach Reparationen sei aus Sicht der Bundesregierung abgeschlossen, betonte die Grünen-Politikerin nach Beratungen mit ihrem polnischen Amtskollegen Rau. Zugleich sicherte Baerbock zu: „Deutschland steht zu seiner historischen Verantwortung ohne Wenn und Aber.“

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Kurz vor Baerbocks Abreise hatte Rau eine diplomatische Note nach Berlin geschickt, in der die nationalkonservative polnische PiS-Regierung Deutschland in Sachen Reparationsforderungen offiziell an den Verhandlungstisch fordert.

Mit dem Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, in dem bis zu sechs Millionen Polen ums Leben kamen – bis zu ein Fünftel der Bevölkerung. Ein großer Teil der Opfer waren Juden. Mehrere polnische Städte wurden zerstört, darunter die Hauptstadt Warschau.

Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine polnische Parlamentskommission ein Gutachten vorgelegt, in dem die Weltkriegs-Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden.

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Annalena Baerbock in Polen: „Es bleibt unsere ewige Aufgabe, an das millionenfache Leid zu erinnern“

Baerbock sagte über die diplomatische Note nur: „Wir haben ja gestern im Fernsehen gesehen, dass ein Brief auf dem Weg nach Berlin ist.“ Die Ministerin erklärte dann ihrem polnischen Amtskollegen: Es sei „gut, dass wir heute persönlich darüber sprechen konnten. Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Thema kennst du bereits.“

Die Bundesregierung lehnt die Forderung nach Reparationen ab. Sie beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit. Aber: „Es bleibt unsere ewige Aufgabe, an das millionenfache Leid zu erinnern, das Deutschland Polen angetan hat“, sagte Baerbock.

Die Brutalität „mit einer menschenverachtenden Kampagne der Unterdrückung, der Germanisierung, der puren Vernichtung“ habe „in Polen noch mal ganz anderen Schmerz als an anderen Orten hervorgebracht“. Das Gedenken daran müssen auch bei den jungen Menschen in Deutschland immer wieder wach gehalten werden.

Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Warschau
Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Warschau dpa/Christoph Soeder

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Es sei „immer wieder spürbar, wie präsent dieser Schmerz bis heute ist“, sagte Baerbock zu Rau. „Und zwar nicht nur bei 90-Jährigen, sondern auch bei 9-Jährigen, weil dieser Schmerz über Generationen vererbt wird.“ Dies sei in Deutschland vielleicht nicht immer so bewusst. „Daran müssen wir uns immer wieder, gerade auch in Deutschland, aufs Neue erinnern. Ich glaube, das ist etwas, wo wir gemeinsam wirklich weiterarbeiten können und weiterarbeiten müssen.“

Rau betonte die gemeinsame Verantwortung Polens und Deutschlands gegenüber den vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Generationen. „Ich bin daher überzeugt, dass sich die Position der deutschen Regierung in dieser Frage als Ergebnis des Dialogs weiterentwickeln wird.“ Allein schon deshalb, weil niemand in Deutschland oder Polen auf ein moralisches System oder eine Rechtsordnung verweisen könne, „in der der Täter eines Verbrechens ermächtigt war, unabhängig und allein das Ausmaß seiner Schuld, aber auch den Umfang und die Dauer seiner Verantwortung zu bestimmen“.