Wahlkampf oder Wahlkrampf?

Peinlich: Laschet verschätzt sich bei der Zahl der Regierungsbeamten in Bonn

Der Unions-Kanzlerkandidat wettert gegen einen Komplett-Umzug der Ministerien vom Rhein an die Spree. Und übertreibt dabei maßlos.

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Das Bundeskanzleramt: Aus der Regierungszentrale in Berlin wird die Politik gesteuert. 
Das Bundeskanzleramt: Aus der Regierungszentrale in Berlin wird die Politik gesteuert. dpa/Christophe Gateau

Aus Sicht des Kanzlerkandidaten der Union, Armin Laschet, sollen in Bonn auch zukünftig große Teile der Bundesministerien verbleiben. „Die Bestrebungen einiger, die Regierungsarbeit in Berlin zu zentralisieren, sind heute noch absurder als vor 30 Jahren“, sagte der NRW-Ministerpräsident dem Kölner Stadt-Anzeiger (Montag). Die Corona-Krise habe gezeigt, dass die Regierungsarbeit auch funktioniere, „ohne dass Beamte dauernd hin- und herfliegen“. „Dann finden die Teamsitzungen eben digital statt“, sagte Laschet. „Außerdem wäre es doch lebensfremd, gerade jetzt bei einem völlig überhitzten Wohnungsmarkt in Berlin auch noch 20.000 Beamte aus Bonn umzusiedeln.“

Ein Faktencheck zeigt, dass so viele Beamte in der Bundesregierung aber gar nicht tätig sind – und schon gar nicht in Bonn. Während im Jahr 2000 noch 10.470 Stellen der Ministerien in Bonn (61 Prozent) und 6756 Stellen in Berlin (39 Prozent) angesiedelt waren, hat sich das Verhältnis mittlerweile fast umgekehrt. In Berlin unterhielten die Ministerien im Jahr 2019 etwa 15.400 Arbeitsplätze (69,5 Prozent), in Bonn hingegen nur noch rund 6750 Stellen (30,5 Prozent). Das geht aus dem sogenannten Teilungskostenbericht der Bundesregierung für 2019 hervor, der alle zwei Jahre erscheint. Dass jedes Ministerium sowohl in Berlin als auch in Bonn mit einem Dienstsitz vertreten sein muss, ist im Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 geregelt. Danach sollen eigentlich sogar mehr als die Hälfte der Beschäftigten am Rhein tätig sein.

Bund der Steuerzahler fordert Umzug

Der Bund der Steuerzahler bekräftigte am Montag die Forderung für einen Komplett-Umzug der Ministerien nach Berlin. „Es ist doch offensichtlich: Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich das Berlin/Bonn-Gesetz überlebt“, sagte Reiner Holznagel, der Präsident des Steuerzahlerbundes, zur Berliner Zeitung. „Schon seit vielen Jahren hält sich die Politik nicht mehr an die Maßgaben ihres eigenen Gesetzes und beschäftigt weit mehr als die Hälfte der Ministeriums-Mitarbeiter an der Spree und nicht am Rhein.“ Das Berlin/Bonn-Gesetz sorge für lästige und teure Doppelstrukturen in der Verwaltung – auch während der Corona-Zeit wurde zwischen Berlin und Bonn hin und her gereist. „Deshalb sollte das Gesetz auch formal abgeschafft werden“, fordert Holznagel. „Die Zwangsteilung der Regierung muss beendet werden, sämtliche Ministerien gehören mit ihrem ersten Dienstsitz nach Berlin.“

Tatsächlich bauen mehrere Ministerien ihre Präsenz in Berlin weiter aus. Zurückzuführen ist dies zum Teil darauf, dass die Ressorts immer mehr Personal einstellen, weil neue Aufgaben hinzu kommen. So plant das Bundeskanzleramt einen Erweiterungsbau auf dem Moabiter Werder. Dort will auch das Innenministerium am jetzigen Standort weiter wachsen. Und das Finanzministerium plant einen Neubau an der Wilhelmstraße in Mitte.