Österreichs Schönster muss den Knast fürchten
Seit fast drei Jahren steht Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor Gericht

Er war so schön, vermutlich Europas schönster Finanzminister. Das ist über zehn Jahre her – heutzutage sieht Karl-Heinz Grasser (51) trotz Walle-Frisur nicht mehr ganz so frisch aus: Von 2000 bis 2007 österreichischer Finanzminister, droht ihm eine langjährige Haftstrafe. Ein im Dezember 2017 begonnener Korruptionsprozess geht dem Ende entgegen.

Grasser, mit der Swarovski-Erbin und Society-Dame Fiona verheiratet, soll (und das ist nur ein Teil der Anklage) laut Staatsanwaltschaft mithilfe eines dezenten Tipps Schmiergeld „verdient“ haben. Die Republik Österreich wollte rund 60.000 „Buwog“-Wohnungen verkaufen. 2004 soll Grasser einem Privatinvestor geflüstert haben, was die Konkurrenz so zu zahlen bereit sei.
Der Investor bot daraufhin 961 Millionen, eine Million mehr als die Mitbewerber, und bekam den Zuschlag. Knapp zehn Millionen Euro sollen dann über zwei damalige Freunde in Form einer „Provision“ als Dankeschön geflossen sein, 2,5 Millionen davon an Grasser.
150 Zeugen hatten Verteidigung und Staatsanwaltschaft aufgeboten, und die kamen naturgemäß zu völlig anderen Schlussfolgerungen aus dem Prozessverlauf. Die Ankläger konstatierten „ein Verbrechen von unglaublicher Tragweite“. Der Ex-Politiker habe gemeinsam mit seinen Freunden in die eigene Tasche gewirtschaftet. Er habe mitkassiert, „zu unser aller Nachteil, zum Nachteil der Steuerzahler“.

Der Verteidiger Grassers forderte am 167. Verhandlungstag vor dem Landgericht Wien Freispruch für seinen Mandanten. Die Befragung von rund 150 Zeugen habe keine Beweise für kriminelle Handlungen des Ex-Ministers gebracht. Belastungszeugen seien nicht glaubwürdig, und die Staatsanwaltschaft hätte „keine Tathandlung“ beweisen können.
Die Prozess-Vertreterin der Republik, Marlies Schefer, forderte von den 15 Angeklagten 9,6 Millionen Euro Schadenersatz plus vier Prozent Zinsen. Über Grasser sagte sie: „Ein Machthaber ist nicht nur verpflichtet, keine Bestechungsgelder anzunehmen, sondern sämtliche Zahlungen an den Machtgeber herauszugeben“, also die Steuerzahler.
In dem Mammutprozess, in dem es unter anderem auch um Schmiergeld für die Anmietung eines Hochhauses in Linz für die Finanzverwaltung ging, kamen noch familiäre Bruchstellen zum Vorschein: Grasser hatte Geld – 500.000 Euro – in bar bei einer Bank eingezahlt. Er soll damit versucht haben, dessen Herkunft zu verschleiern. Das wäre Geldwäsche. Grassers Behauptung, das Geld habe seiner Schwiegermutter aus der Swarovsky-Familie gehört, hat sie bestritten.
Pessimisten fürchten, dass der schöne Herr Grasser das Gericht nicht zerzaust, sondern wohlfrisiert verlassen kann. Denn bislang konnte er von der Justiz nicht festgenagelt werden, obwohl sein politisches Leben von einer Unzahl von Skandalen und Skandälchen begleitet ist – der Wikipedia-Eintrag darüber nimmt schier kein Ende.
Das Urteil wird im November oder Dezember erwartet.