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Ob Tagesgeld- oder Girokonto – immer mehr Banken brummen Kunden Strafzinsen auf
Die Inflation nagt am Ersparten, und wer ein kleines Vermögen hat, blutet. Viele hoffen auf Aktien

Die einen sparen wie wild, die anderen bedienen sich an ihrem Geld. Klingt ungerecht? Ist aber so: Banken rücken mickrigste Zinsen weit unter der Inflationsrate raus, die den Euro im Juni um 2,3 Prozent entwertete. Wer mehr auf der hohen Kante hat, wird auch mehr geschröpft: Die Zahl der Kreditinstitute, die Sparern „Negativzinsen“ aufbrummen, hat sich einer Studie zufolge innerhalb eines halben Jahres fast verdoppelt. Und es geht um viel Geld: Wegen Corona-Zukunftssorgen legen die Deutschen im Schnitt von 100 verfügbaren Euro 23,20 auf Konten ab, kaufen Wertpapiere, legen sie als Tagesgeld an, oder unter die Matratze.
Laut dem Vergleichsportals Verivox erheben mit Stichtag 29. Juni inzwischen 349 Banken und Sparkassen ein sogenanntes „Verwahrentgelt“ bei größeren Summen auf dem Tagesgeld- oder Girokonto. Das sind 171 mehr als Ende 2020. Überwiegend gelten Strafzinsen für Tagesgeld, teilweise werden sie aber auch für Giro- und Verrechnungskonten erhoben.
Immer mehr Banken nehmen „Negativzinsen“
„Aktuell kommen nahezu täglich weitere Geldhäuser hinzu“, berichtete Verivox-Manager Oliver Maier. Viele Geldhäuser senkten den Zinssatz noch weiter ins Minus, oder reduzierten die Freibeträge, bis zu denen das Guthaben auf dem Konto von Negativzinsen verschont bleibt. Lange wurde vor allem ab 100.000 Euro ein Verwahrentgelt fällig. Inzwischen erheben Verivox zufolge mindestens 102 Institute Negativzinsen ab einer Gesamteinlage von 50.000 Euro oder weniger.
Von ungefähr kommt das nicht: Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Diese Kosten geben immer mehr Geldhäuser weiter und berechnen Privatkunden Negativzinsen meist in gleicher Höhe.
Verbraucherzentralen klagen gegen Negativzinsen
Verbraucherschützer kritisieren, dass „Banken und Sparkassen in den vergangenen Jahren besonders kreativ waren, wenn es um das Kreieren neuer Entgelte ging“. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält Negativzinsen auf Giro- und Tagesgeldkonten von Verbrauchern grundsätzlich für unzulässig. Der vzbv hat daher Klagen eingereicht: „Uns geht es um eine grundsätzliche Klärung.“
Die Zins- und Inflationsentwicklung hat dazu geführt, dass viele Deutsche ihr Heil an der Börse suchen. Mit 12,35 Millionen Aktionären gibt es in Deutschland rund 2,7 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Ein Höchststand seit fast 20 Jahren. Die Bundesbank stellte kürzlich fest, das Engagement der privaten Haushalte auf dem Kapitalmarkt habe zuletzt „einen rasanten Aufschwung“ erlebt.
Das Deutsche Aktieninstitut meint, dass das an Corona liegt: Viele Sparer hätten mehr Geld gehabt, weil Urlaube platzten, Einkaufsbummel und Restaurantbesuche kaum möglich waren. Die gewonnene Zeit hätten etliche Anleger genutzt, um sich mit Aktien, Aktienfonds oder börsengehandelten Indexfonds (ETFs) zu beschäftigen. Für die meisten Sparer jedoch ist das nach wie vor graue Theorie.
Denn die Angst, Geld zu verlieren, ist Umfragen zufolge weit verbreitet - auch wenn das Aktieninstitut regelmäßig vorrechnet, dass sich langfristiges Sparen in Aktien in den vergangenen 50 Jahren in der Regel ausgezahlt habe. Da wirkt der Ärger um die Telekom-Aktie nach, die vor der Jahrhundertwende als angebliche „Volksaktie“ angepriesen wurde, im März 2000 auf umgerechnet 103 Euro hochschoss. Wer dann kaufte, war gekniffen: Im Juni 2002 war sie weniger als 9 Euro wert (aktuell 17,90 Euro).
Gegenwärtig stehen die Aktien gut. Aber selbst Börsenfans wie die Ökonomen des Aktieninstituts warnen: Nicht nur auf ein Aktienpferd setzen, die Anlagen breit streuen, und genug Geld in der Hinterhand haben, um bei Abwärts-Kursen nicht mit Verlust verkaufen zu müssen, sondern auf bessere Zeiten hoffen zu können.