Kampf gegen die Knappheit

Ob das hilft? Kassen zahlen mehr für Kinder-Arznei

Höhere Preise für die Hersteller sollen dazu beitragen, dass mehr Fiebersenker und Antibiotika auf den Markt kommen

Teilen
Fiebersenkende Präparate für Kinder mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Paracetamol sind knapp.
Fiebersenkende Präparate für Kinder mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Paracetamol sind knapp.dpa/Jörg Carstensen

Für knapp gewordene Kinder-Medikamente wie Mittel gegen Fieber oder Antibiotika gegen Bakterien können die Krankenkassen den Herstellern ab 1. Februar vorübergehend mehr Geld zahlen. Damit soll dem Mangel begegnet werden, der wegen Grippe-, Erkältungs- und RS-Virus-Welle besonders schmerzhaft aufgefallen war.

Der  Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) teilte am Dienstag mit, die Festpreise für bestimmte Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol sowie für verschiedene Antibiotika würden bis zum 30. April ausgesetzt. Ob das hilft, daran gibt es Zweifel.

180 Arzneimittel zeitweise ohne Festpreis

Von der Maßnahme betroffen sein sollen insgesamt 180 Fertigarzneimittel, darunter Ibuprofen-Säfte, Paracetamol-Zäpfchen (Suppositorien) sowie Antibiotika in flüssiger Zubereitung (Suspension) beziehungsweise als Granulat oder Pulver zur heimischen Herstellung einer flüssigen Lösung.

Im Dezember hatte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigt, dass die Kassen für bestimmte Medikamente künftig mehr Geld zahlen sollen, damit sich Lieferungen nach Deutschland für Pharmafirmen mehr lohnen.

Das Draufzahlen für teurere Medikamente fällt weg

Für bestimmte Medikamentengruppen gelten normalerweise Festbeträge, die regelmäßig festgelegt werden. Mehr als diese Beträge zahlen die Krankenkassen nicht für diese Medikamente. Liegt der Preis darüber, müssen Patienten in der Regel die Differenz entweder selbst tragen oder sie bekommen ein anderes – therapeutisch gleichwertiges – Arzneimittel ohne Aufzahlung, heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Diese fieber- und schmerzsenkenden Kinder-Arzneimittel ohne Verschreibungspflicht werden für drei Monate keinem Festpreis unterworfen
Ibuprofen (gegen Fieber und Schmerzen) als Sirup oder Suspension.
Paracetamol (gegen Fieber und Schmerzen) als Zäpfchen, Sirup oder Lösung zum Einnehmen.
Schmeckt vielleicht nicht, aber es soll helfen: Ein kleines Mädchen bekommt einen Medizin-Saft.
Schmeckt vielleicht nicht, aber es soll helfen: Ein kleines Mädchen bekommt einen Medizin-Saft.dpa/Mascha Brichta
Diese verschreibungspflichtigen Antibiotika unterliegen von Februar bis April nicht der Festpreis-Regelung
Amoxicillin als Pulver zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen.
Verschiedene Cefalosporine als Granulat oder Pulver für die Herstellung einer Lösung zum Einnehmen
Neuere Makrolide als Granulat oder Pulver.
Phenoxymethylpenicillin als Granulat und Pulver.
Sulfamethoxazol und Trimethoprim als Suspension.

Kommt es nun zur Lockerung dieser Festpreisregelung bei Kindermedikamenten, müssen Eltern aber dennoch keine Zusatzkosten befürchten, heißt es bei den Kassen.

Nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbands kann die Maßnahme einer weiteren Verschärfung der angespannten Versorgungslage mit Kinder-Arzneimitteln kurzfristig entgegenwirken. Es heißt aber auch: „Kurzfristig der Pharmaindustrie höhere Preise zu ermöglichen, stellt keine nachhaltige Lösung dar.“

Die Kassen „warnen vor der Annahme, dass internationale Pharmakonzerne ihre globalen Produktionsstandorte und Lieferprozesse nur ändern, weil gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland künftig mit ihren Krankenkassenbeiträgen höhere Medikamentenpreise bezahlen müssen.“

Kassenverband will „genau hinschauen“, ob die Maßnahme wirkt

Die Pharmaindustrie erhalte durch die Aussetzung zwar Zeit, Produktions- und Lieferprobleme in den Griff zu bekommen. Die Aussetzung sei kein Freifahrtschein für Gewinnmaximierung. Die GKV: „Wir werden hier genau hinschauen, wie die Aussetzung der Festbeträge wirkt.“

Ob die Aussetzung der Festbeträge kurzfristig tatsächlich zu einer besseren Verfügbarkeit von Produkten  führe, bleibe abzuwarten, sagte Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie.

Systeme, die über lange Zeit kaputtgespart worden seien, könnten nicht per Schnellschuss geheilt werden. Der Verband verwies auf Kostendruck und forderte Erleichterungen im Festbetragssystem. Nicht nur bei Kindermedikamenten.

Auch der Geschäftsführer des Pharmaverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, zeigte sich skeptisch: Die Aussetzung der Festbeträge sei eine Geste, werde aber das Problem der Engpässe kurzfristig nicht lösen, sagte er dem Handelsblatt. „Woher sollen die Fiebersäfte plötzlich kommen?“ Die Unternehmen produzierten rund um die Uhr. Es gebe keine Ware, die kurzfristig auf den Markt kommen könne, nur weil sich der Preis für drei Monate erhöhe.

Bislang keine Entwarnung bei den Apotheken: Knappes bleibt knapp

In den Apotheken bleibt die Knappheit spürbar: „Die Lieferengpässe bei Kinderfiebersäften, Antibiotika und anderen Arzneimitteln halten leider weiterhin an“, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening.

Das eigentliche Problem sei, dass es oft nur wenige Hersteller der Präparate gebe und somit das Angebot entsprechend insgesamt begrenzt sei. Sie forderte kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken, beispielsweise bei der eigenen Herstellung von Medikamenten.

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte dpa, sie beobachte die Berichte über fehlende Medikamente genau. „Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass dies ein globales Problem ist, nicht nur ein europäisches.“ Patienten müssten jederzeit zu bezahlbaren Preisen Zugang zu Medikamenten haben. Man arbeite eng mit der Industrie zusammen, um die Produktionskapazität schnell auszubauen.