Feuerwehrleute und Polizisten stehen am Wohnmobil in dem sich die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt selbst getötet haben.
Feuerwehrleute und Polizisten stehen am Wohnmobil in dem sich die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt selbst getötet haben. dpa/Carolin Lemuth

Der Moderator und Entertainer Jan Böhmermann hat für das ZDF Magazin Royale alle NSU-Akten des Verfassungsschutz veröffentlicht. Das teilte Böhmermann am Freitag im sozialen Netzwerk Twitter mit. Die Akten seien nun alle frei zugänglich, die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf.

Das Team von Jan Böhmermann arbeitete dafür mit den Kollegen von FragDenStaat zusammen. Für die NSU-Akten richteten die Journalisten extra die Seite nsuakten.gratis ein. Dort sind alle Geheimakten des Verfassungsschutzes zum NSU verfügbar. 

NSU-Akten wurden nach neonazistischer Terrorserie angelegt

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hatte zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet. Die Terroristen wurden erst 2011 nach einem Banküberfall in Eisenach entdeckt. Die beiden Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos töteten sich in einem Wohnmobil selbst. Die Rechtsterroristin Beate Zschäpe wurde später im NSU-Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt.

Durch die Entdeckung der NSU-Terroristen wurden auch zahlreiche Verfehlungen des Verfassungsschutzes und diverser Polizeibehörden in der Bundesrepublik und den Bundesländern aufgedeckt. Eine interne Untersuchung des Verfassungsschutzes deckte zahlreiche Missstände in den Reihen der „Schlapphüte“ auf.

Hessen verweigerte Veröffentlichung der NSU-Akten

Auch der hessische Verfassungsschutz ordnete im Jahr 2012 unter dem damaligen Innenminister und heutigen hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) ein Untersuchungsverfahren zum NSU und den Verfehlungen des Verfassungsschutzes in Hessen an. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden jedoch unter Verschluss gehalten und sollten erst im Jahre 2134 veröffentlicht werden – lange nach dem Tod selbst der jüngsten Beteiligten und Angehörigen!

Die damals als Mittäterin bei den Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) angeklagte Beate Zschäpe sitzt im Gerichtssaal bei ihrem Prozess.
Die damals als Mittäterin bei den Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) angeklagte Beate Zschäpe sitzt im Gerichtssaal bei ihrem Prozess. dpa/Tobias Hase

Begründet wurde dies damit, dass der Verfassungsschutz „unter Umständen nicht mehr arbeitsfähig" sei, wenn die „NSU-Akten” veröffentlicht würden, wie der Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Mathias Wagner, sagte.

Doch gegen die Verschlusshaltung der Behörden gab es Protest und eine Petition. Mehr als 130.000 Menschen unterschrieben bereits. Doch nichts passierte. Und das obwohl viele in der Sperrfrist den Beleg dafür sehen, dass der hessische Verfassungsschutz „noch viel schlimmere Fehler gemacht haben muss, als er bisher zugegeben hat“, wie es auf der Seite von Böhmermann heißt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sah hingegen keinen Grund für die Verschlusshaltung der Akten.

Akten vermitteln Bild von schlampiger Behördenarbeit

Wirklich neue Informationen enthalten die NSU-Akten auch nicht. Aber sie vermitteln das Bild, dass der Verfassungsschutz oft selbst nicht wusste, was er eigentlich alles an Daten gesammelt hat – und wie man diese sinnvoll nutzen könnte. Zudem seien hunderte Akten einfach aus den Beständen „verschwunden“. „Der Verbleib von 541 Aktenstücken konnte nicht geklärt werden”, heißt es vom Verfassungsschutz.

Die Arbeit des Verfassungsschutzes sei stümperhaft gewesen. Man habe Spuren und Hinweise nicht verfolgt und rechtsterroristische Taten schlicht nicht für möglich gehalten. Besonders erschreckend: Hinweise zu Rechtsextremisten, die Waffen oder Sprengstoffe besaßen und besitzen oder Kampftraining durchführten, habe man ebenfalls nicht beachtet. Insgesamt 390(!) dieser Hinweise konnten die internen Ermittler finden.

NSU kommt kaum vor, anderer Rechtsterrorist hingegen schon

Was in den Akten jedoch nur selten vorkommt ist das Subjekt des Spitznamens: der NSU selber. Die Naziterroristen fehlen im NSU-Bericht fast gänzlich. Nur vereinzelt gibt es Querverweise zu anderen Personen, vor allem aus Hessen. Das liege vor allem daran, dass die eigentlich wichtigen Akten nicht auffindbar seien.

Eine Person kommt in den Akten jedoch durchaus vor: Stephan Ernst. Der Rechtsterrorist und mittlerweile verurteilte Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, galt schon in den untersuchten Akten als auffällig. Jedoch galt sein Vorgang ab 2015 als „erkaltet“. 2019 tötete er dann Lübcke. Eine Tat, die genau wie beim NSU, vielleicht hätte verhindert werden können.

Die zehn NSU-Opfer Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic und Polizisten Michele Kiesewetter (oben, v.l.), sowie Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat (unten, v.l).
Die zehn NSU-Opfer Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kilic und Polizisten Michele Kiesewetter (oben, v.l.), sowie Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodorus Boulgarides, Mehmet Kubasik und Halit Yozgat (unten, v.l). dpa/Polizei-Handouts/Norbert Försterling

NSU-Terroristen wurden 2011 gestellt und töteten sich selbst

Der Nationalsozialistische Untergrund hatte zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet. Ihnen fielen Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter zum Opfer.

Bis zur Entdeckung der NSU-Terroristen in Eisenach 2011 suchte die Polizei vor allem im migrantischen Umfeld der Opfer nach den Tätern. Erst durch Bekennerschreiben der NSU-Terroristen kam die Täterschaft der Neonazis ans Licht.