Ohne Meereis wird die Erde noch wärmer

Nordpol im Sommer früher ohne Eis, Klimawandel macht Arktis zum offenen Meer

Neue Studie legt nahe, dass es vielleicht schon in zehn Jahren kein Eis mehr in der Arktis geben wird. Mit Folgen für das Wetter weltweit.

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Eisberge brechen von einem Gletscher in einen Fjord in Grönland. Der Weltklimarat sagt eine im Sommer eisfreie Arktis bis Mitte des Jahrhunderts vorher - bei mittlerem bis hohem Treibhausgas-Ausstoß. Eine Studie ergibt nun: Die Region könnte schon viel früher eisfrei sein.
Eisberge brechen von einem Gletscher in einen Fjord in Grönland. Der Weltklimarat sagt eine im Sommer eisfreie Arktis bis Mitte des Jahrhunderts vorher - bei mittlerem bis hohem Treibhausgas-Ausstoß. Eine Studie ergibt nun: Die Region könnte schon viel früher eisfrei sein.David Goldman/AP

Die Arktis könnte selbst dann, wenn die CO2-Emissionen der Welt deutlich geringer werden, schon ein Jahrzehnt früher im Sommer eisfrei sein als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, in der Wissenschaftler auf Grundlage von Satellitendaten den Rückgang der Meereisfläche in der Region um den Nordpol über 40 Jahre untersucht haben. Das Ergebnis weist darauf hin, dass sich der Klimawandel beschleunigen wird.

„Die Ergebnisse lassen erkennen, dass sich unabhängig von Emissionsszenarien der erste meereisfreie September schon in den 2030er bis 2050er Jahren einstellt“, schreiben die Autoren um den südkoreanischen Forscher Min Seung-Ki von der südkoreanischen Pohang-Universität für Wissenschaft und Technologie im Fachblatt Nature Communications.

Die Forscher werteten für ihre Prognose Messdaten für jeden Kalendermonat zwischen 1979 und 2019 aus und verglichen sie zunächst mit simulierten Veränderungen. Mitte September erreicht dabei die Ausdehnung des arktischen Meereises ihr sommerliches Minimum.

Seit dem Jahr 2000 beschleunigt sich der Eis-Verlust in der Arktis

„Das arktische Meereisgebiet ging in den vergangenen Jahrzehnten jedes Jahr rapide zurück, mit einer immer stärkeren Abnahme seit 2000“, so das Team, darunter der Klimaforscher Dirk Notz von der Universität Hamburg.

Die Ergebnisse der Studie gehen über den jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) hinaus. Demzufolge wäre die Arktis im September erst gegen Mitte des Jahrhunderts im Durchschnitt praktisch eisfrei - allerdings unter Szenarien mit mittleren und hohen Treibhausgas-Emissionen.

Die Arktis mit ihren wichtigsten Driftsystemen. Der rote Pfeil beschreibt den Weg des Eises durch die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen im Sommer.
Die Arktis mit ihren wichtigsten Driftsystemen. Der rote Pfeil beschreibt den Weg des Eises durch die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen im Sommer.Meereisportal

Die Forscher um Min Seung-Ki folgern dagegen aus ihrer auf Beobachtungen basierten Prognose, „dass wir in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnten ein noch nie dagewesenes eisfreies arktisches Klima erleben könnten, unabhängig vom Emissionszenario“. Das würde sich auf menschlichen Gesellschaften und auf Ökosysteme inner- und außerhalb der Arktis auswirken. Wichtig sei nun, sich in naher Zukunft auf eine saisonal eisfreie Arktis einzustellen und entsprechend zu planen.

Die Erkenntnisse decken sich mit Forschungsresultaten des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), das seit 1993 bislang 52 Mal die Arktis überflogen und das Eis vermessen hat, zuletzt im April.

Eisdicke hat teilweise um ein Viertel abgenommen

Dr. Thomas Krumpen, Meereisphysiker und Expeditionsleiter: „Basierend auf den Flugkampagnen können wir Messreihen für verschiedene Regionen erstellen, die zeigen, wie die Meereisdicke und Oberflächenrauigkeit von Jahr zu Jahr variieren, und ob sich Trends beobachten lassen. Zum Beispiel hat die Dicke des Eises, welches im Sommer die Arktis durch die Framstraße verlässt, in den letzten zwei Jahrzenten um 20 bis 25 Prozent abgenommen.“

Die rund 500 Kilometer breite „Framstraße“ zwischen Grönland und Spitzbergen verbindet den Arktischen Ozean rund um den Nordpol mit dem Nordatlantik.

Krumpen verweist auf Untersuchungen von 2019. Damals war im Meereisportal berichtet worden: „Der beobachtete Verlust an Eisdicke wirkt auf den Wärmeaustauch zwischen Ozean und Atmosphäre, beschleunigt den Meereisrückgang in den Sommermonaten weiter und hat Auswirkungen auf das gesamte arktische Ökosystem.“ 

Ohne Eis auf dem Meer wird weniger Wärme ins All zurückgeworfen

Denn in einem wärmeren Klima schmilzt das helle Meereis und gibt den dunklen Ozean darunter frei. Dieser absorbiert Sonnenenergie, die nicht mehr vom Eis zurück ins All reflektiert wird, und erwärmt sich weiter. So schmilzt noch mehr Eis und der gesamte Prozess verstärkt sich noch.

Weil das Eis so sensibel auf ansteigende Temperaturen reagiert, zeigen sich klimatische Veränderungen schon im Flächentrend des Meereises, wenn im Rest der Welt noch nicht viel von ihnen zu spüren ist.