Bericht: CIA warnte schon im Sommer vor Anschlägen auf Nordstream-Pipelines
Mehrere Lecks in der Nähe der Ostseeinsel Bornholm. Dänische Regierungschefin: „Ein Zufall ist kaum vorstellbar“.

Die Informationen auf einen gezielten Anschlag auf die beiden Pipelines Nordstream 1 und 2 verdichten sich immer weiter. Wie das Magazin „Spiegel“ berichtet, haben die Vereinigten Staaten schon im Sommer vor Anschlägen auf Öl- und Gaspipelines in Europa gewarnt. Ein Bericht des amerikanischen Geheimdienstes CIA sei bereits im Sommer in Berlin eingegangen.
Auch in den weiteren Anrainerstaaten geht man von Sabotage aus. Die Behörden seien zu der eindeutigen Bewertung gekommen, dass es sich um absichtliche Taten handle und nicht um ein Unglück, sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Dienstagabend vor Reportern in Kopenhagen. Innerhalb kurzer Zeit seien mehrere Explosionen beobachtet worden.
Der „Spiegel“ berichtete zuvor, unter Verweis auf Quellen im Umfeld der Bundesregierung, es werde befürchtet, dass es sich um einen Anschlag handle, der Verunsicherung auf den europäischen Gasmärkten provozieren sollte. Derzeit würden die Sicherheitskonzepte auch anderer Pipelines und Gasversorgungsanlagen überprüft.
Experten halten Russland für den Verursacher der Gaslecks
Auch Experten sehen Russland in der Verantwortung. „Ein Leck an drei verschiedenen Orten mit so großer Entfernung dazwischen kann nur die Folge eines vorsätzlichen Akts oder von Sabotage sein“, sagte der norwegische Militärwissenschaftler und Marineoffizier Tor Ivar Strömmen AFP.
„Lecks an Gaspipelines sind extrem selten“, sagte Strömmen. Die Nord-Stream-Leitungen seien zudem recht neu, im Fall von Nord Stream 2 sogar sehr neu. Da bleibe eigentlich nur Sabotage als Erklärung. „Ich sehe nur einen möglichen Akteur und das ist Russland“, führte der Offizier aus.
Die dänischen und schwedischen Behörden bestätigten am Morgen, dass an zwei Stellen Gas aus der Nord-Stream-1-Pipeline austritt. Die Lecks traten demnach in der Nähe der dänischen Insel Bornholm in dänischen und in schwedischen Hoheitsgewässern auf. Am Montag war bereits ein starker Druckabfall in der Nord-Stream-2-Pipeline gemeldet worden, der laut Betreiberfirma ebenfalls auf ein Leck in der Nähe von Bornholm zurückzuführen ist.
Lesen Sie auch: Horrende Energie-Preise: DAS sollten Sie auf keinen Fall vergessen (wenn Sie sparen wollen) >>
Schäden in der Nähe von Bornholm
Zu einer möglichen Ursache der Schäden lagen von offizieller Seite weiterhin keine Angaben vor. Allerdings seien derartige Gaslecks „äußerst selten“, sagte ein dänischer Behördensprecher der Nachrichtenagentur AFP. „Aufgrund der Vorfälle der vergangenen 24 Stunden sehen wir Anlass, die Sicherheitsstufe zu erhöhen“, um die Energieinfrastruktur zu überwachen.

„Es ist eine ungewöhnliche Situation, dass drei Lecks unweit voneinander entfernt auftreten“, sagte Regierungschefin Frederiksen. Sabotage werde daher nicht ausgeschlossen. Die Ministerpräsidentin war am Dienstag im polnischen Budno zu Besuch, wo eine neue Pipeline von Norwegen über Dänemark und durch die Ostsee nach Polen eingeweiht wurde.
Lesen Sie auch: Schüsse, Geschrei und Blaulicht am Rostocker Hauptbahnhof: „Sind die alle tot?“ >>
Ukraine spricht von „Akt der Aggression gegenüber der EU“
Die Ukraine wurde erwartungsgemäß deutlicher: „Das großflächige ‚Gasleck‘ an Nord Stream 1 ist nichts anderes als ein von Russland geplanter Terroranschlag und ein Akt der Aggression gegenüber der EU“, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak auf Twitter. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki sprach von einem „Sabotageakt“. Noch seien nicht alle Details bekannt, aber es handle sich „wahrscheinlich um die nächste Eskalationsstufe der Situation in der Ukraine“.
Ein Nato-Vertreter sagte in Brüssel, das Militärbündnis „beobachtet die Situation in der Ostsee genau“. Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, es nehme die Beschädigungen an den Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 „sehr ernst“. „Wir sind hierzu innerhalb der Bundesregierung, mit den deutschen Sicherheitsbehörden und mit unseren dänischen und schwedischen Partnern im engen Kontakt“.
Moskau ist „sehr besorgt“
Die Regierung in Moskau zeigte sich angesichts der berichteten Lecks „extrem besorgt“. „Dies ist eine noch nie da gewesene Situation, die dringend untersucht werden muss“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Auf die Frage, ob es sich um einen Sabotageakt handeln könnte, sagte er, es könne „keine“ Option ausgeschlossen werden.
Lesen Sie auch: Verletzte bei Demonstration gegen Energiepolitik >>
Ein Unternehmenssprecher von Nord Stream 2 sagte, das Ausmaß der Schäden an der Leitung sei noch nicht zu überblicken. Dem Energieexperten Nicolas Goldberg von der Beratungsfirma Colombus zufolge ist ein Gasleck unter Wasser nicht ohne Weiteres zu reparieren, insbesondere wenn Salzwasser in das Rohr gelangt ist. Beide Leitungen sind mit Gas gefüllt, obwohl sie nicht in Betrieb sind.
Nord Stream 2 war trotz erheblicher Kritik insbesondere aus östlichen EU-Staaten und den USA gebaut worden und sollte den Gasfluss von Russland nach Deutschland erheblich erhöhen. Die Bundesregierung entschied sich schließlich jedoch gegen eine Inbetriebnahme.
Auch durch Nord Stream 1 kommt bereits seit Wochen kein Gas mehr in Deutschland an. Russland verweist auf technische Probleme. Die Bundesregierung wirft Moskau vor, es setze Gas als außenpolitisches Druckmittel ein.