Feuerwehrleute in einer Leitstelle. Künftig sollen sie nach den Vorstellungen einer Regierungskommission mit medizinischem Personal der Kassenärztlichen Vereinigungen kooperieren.edizin
Feuerwehrleute in einer Leitstelle. Künftig sollen sie nach den Vorstellungen einer Regierungskommission mit medizinischem Personal der Kassenärztlichen Vereinigungen kooperieren.edizin Bodo Schackow/dpa

Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen im Notfall künftig durch neue Leitstellen und Notfallzentren versorgt werden. Eine Expertenkommission der Bundesregierung übergab entsprechende Reformvorschläge an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das Ziel ist eine Entlastung von Notaufnahmen und Rettungsdiensten, die oft unter einem Mangel an Personal und übermäßiger Beanspruchung leiden.

Notaufnahmen von Leuten überlaufen, die keinen Notfall darstellen

„Heute ist es so, dass bis zur Hälfte derjenigen, die die Notaufnahme aufsuchen, selber angeben, dass sie kein richtiger Notfall sind“, sagte Lauterbach. Viele Patienten könnten etwa durch die Bereitschaftsdienste der niedergelassenen Ärzte versorgt werden. Lauterbach erklärte, Versorgung solle dort stattfinden, wo sie medizinisch sinnvoll sei. „Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein.“

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Die Vorschläge trafen aber just bei den Ärzten auf Widerspruch. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Markus Beier, kritisierte gegenüber dem RND: „Ein sehr großer Teil der Notfallversorgung findet in den Hausarztpraxen statt, gleichzeitig spielen diese in dem Gutachten de facto keine Rolle.“ Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Pläne aus der Sicht der Krankenhäuser und nicht aus Sicht der Patienten geschrieben worden seien.

Die Vorschläge greifen Ideen auf, die schon seit Jahren umgehen. Der KURIER hatte darüber im Oktober 2022 berichtet.

Leitstellen sollen einschätzen, wer zur Hilfe kommt

Ein Kern der Vorschläge ist der Aufbau neuer, integrierter Leitstellen in ganz Deutschland. Hilfesuchende, die sich im Notfall an den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 oder an den kassenärztlichen Notdienst unter der 116117 wenden, sollen durch so eine Leitstelle eine erste telefonische oder telemedizinische Einschätzung bekommen. Wie in Berlin erreicht man über diese Nummern unterschiedliche Leitstellen.

Auf Basis dieser Einschätzung soll den Patienten eine passende Notfallbehandlung zugewiesen werden. Das Personal könne dann etwa einen Rettungswagen rufen oder aber auch einer Termin in einer  Arzt-Praxis, einer Notdienst-Praxis oder einer Notaufnahme für den Patienten buchen.

„Das Ziel ist es, Notfälle, die einen unmittelbaren, sofortigen Handlungsbedarf haben, zu identifizieren und zugleich die Notfallstrukturen von den weniger dringlichen Fällen zu entlasten“ sagte der Vorsitzende der Kommission, Tom Bschor. Nicht vorstellbar sei dabei aber ein Verbot für das Aufsuchen einer Notaufnahme ohne vorherigen Kontakt mit der Leitstelle.

Diese Hand bedurfte offenbar der schnellen Hilfe im Krankenhaus.
Diese Hand bedurfte offenbar der schnellen Hilfe im Krankenhaus. Werner Krueper/epd

Bundesweite Schaffung von Kombi-Einrichtungen aus Notaufnahme und Notfallpraxen

Neu geschaffen werden sollen nach den Vorstellungen der Experten zudem sogenannte integrierte Notfallzentren. Sie sollen aus einer Notaufnahme eines Krankenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärzte bestehen. Die Zentren sollen an den rund 420 deutschen Kliniken mit umfassender Notfallversorgung angesiedelt werden. In Berlin existieren derlei Modelle bereits, allerdings stehen die elf Notdienstpraxen nur außerhalb der normalen Praxis-Öffnungszeiten bereit.

Kassen finden den Plan gut, Sozialverband fordert bessere Finanzierung des Notfall-Hilfsystems

Von großen Krankenkassen kam Zustimmung zu den Plänen. „Die  Patienten brauchen endlich eine zentrale Anlaufstelle und eine Notfallversorgung aus einer Hand“, sagte die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. TK-Chef Jens Baas meinte: „Durch solche zentralen Anlaufstellen wissen die  Patienten künftig sofort, wo sie hinmüssen.“

Die Vizepräsidentin des Sozialverbands Deutschland, Ursula Engelen-Kefer, mahnte von Bund und Ländern zugleich eine „angemessene Finanzierung“ für eine „hochwertige und ortsnahe Notfall- und Akutversorgung“ an.  

Lauterbach kündigte an, die Reform gemeinsam mit den Ländern zu besprechen. Das für das Projekt nötige Gesetz solle auf jeden Fall „in dieser Legislaturperiode wirken“.