Der Trauergottesdienst für Walter Lübcke 2019 in Kassels Martinskirche: Polizisten und Soldaten standen neben dem mit der Fahne Hessens bedeckten Sarg.
Der Trauergottesdienst für Walter Lübcke 2019 in Kassels Martinskirche: Polizisten und Soldaten standen neben dem mit der Fahne Hessens bedeckten Sarg. dpa-POOL/Swen Pörtner

Der nächtliche Schuss in einem Dorf bei Kassel 2019 markierte eine blutige neue Entwicklung: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde mit dem damaligen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ein aktiver Politiker von einem rechtsextremen Täter ermordet.  Am Donnerstag wird der Bundesgerichtshof über die Revision verhandeln, die alle Prozessbeteiligten beantragt hatten.

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Im Mordprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt war der damals 47 Jahre alte, geständige Stephan Ernst wegen des Mordes an Lübcke im Januar 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der wegen Beihilfe zum Mord angeklagte Markus H. hingegen wurde von diesem Vorwurf freigesprochen und erhielt lediglich eine Bewährungsstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Parallel gab es eine bundesweite Debatte über Hass im Internet: Lübcke (CDU) war dort wegen seiner Haltung gegenüber Flüchtlingen von rechten Figuren angefeindet und bedroht worden.

Das Urteil in Sachen Lübcke wollten weder die Angeklagten noch die als Nebenkläger auftretenden Angehörigen  und die Bundesanwaltschaft akzeptieren. Zusätzlich beantragten die Bundesanwaltschaft und ein weiterer Nebenkläger Revision in einem zweiten Fall, der mitverhandelt worden war: Ahmed I,  Flüchtling aus dem Irak, war 2016 bei einem Messerangriff schwer verletzt worden. Ernst wurde auch diese Tat als versuchter Mord zur Last gelegt. Er wurde jedoch von diesem Vorwurf mangels ausreichender Beweise freigesprochen: „Im Zweifel für den Angeklagten.“

Lübckes Familie will Verurteilung des mutmaßlichen Mittäters

„Mit Einlegung der Revision verfolgt die Familie das Ziel, dass der Freispruch gegen Markus H. aufgehoben wird und es einen neuen Strafprozess gegen Markus H. gibt“, sagte der Sprecher der Familie, Dirk Metz, vor der Verhandlung in Karlsruhe. „Die Familie ist aufgrund einer Vielzahl an Indizien überzeugt, dass der Mitangeklagte Markus H. die Tat zusammen mit Stephan E. geplant und vorbereitet hat und beide zudem den Mord in der Nacht vom 1. auf den 2. Juni 2019 auch gemeinsam ausgeführt haben.“

Der Verteidiger von Stephan Ernst wiederum hatte in seinem Plädoyer auf eine Verurteilung wegen Totschlags hingewirkt. In seinem Plädoyer hatte  Rechtsanwalt Mustafa Kaplan auch immer wieder Markus H., den früheren Arbeitskollegen und Freund von Ernst, in den Mittelpunkt gerückt. Er glaube seinem Mandanten, dass dieser zusammen mit H. die Tat geplant und ausgeführt habe. H. ist ebenfalls als Rechtsextremist bekannt. Ernst bezeichnete ihn in seiner Einlassung als seinen „Anker“, eine Zeugin beschrieb das Verhältnis der beiden Männer als „Denker“ H. und „Macher“ Ernst.

Verteidiger des Lübcke-Mörders will Sicherheitsverwahrung aufheben lassen

Kaplan will auch erreichen, dass die bislang unter Vorbehalt stehende Sicherungsverwahrung für Ernst vom Tisch kommt, wie er dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ sagte. „Es fehlt aus meiner Sicht an Argumenten, die Stephan Ernst als besonders gefährlich erscheinen lassen.“ Der Verteidiger betonte, dass sein Mandant von dem Anklagevorwurf des versuchten Mordes 2016 freigesprochen worden sei. „Das Urteil hätte sich bei dem Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zwingend mit dem Freispruch auseinandersetzen müssen“, sagte er dem Magazin. Das sei nicht geschehen.