Merkels Sorgen: Corona, Briten und die Türken
Die Bundeskanzlerin muss im In- und Ausland versuchen, Konflikte zu entschärfen und Probleme zu lösen

Berlin - Der alarmfarbene Blazer der Bundeskanzlerin passte zu Alarm-Mitteilungen, die Angela Merkel (CDU) bei der Regierungsbefragung im Bundestag den Abgeordneten nannte. Sie hat an verschiedenen Fronten zu kämpfen - bei Corona, in der EU, in der NATO, und beim Kohleausstieg.
So sagte sie zur Situation rund um Corona: „Ich bin nicht ruhig in Bezug auf die Ausbreitung des Virus.“ Das Land sei nicht „raus aus der Gefahrenlage“. Das Thema wird auch die Ratspräsidentschaft beherrschen. So wird zu klären sein, ob die wirtschaftlich geschwächten Staaten wie Italien und Spanien Kredite oder Zuschüsse in Milliardenhöhe erhalten. Merkel sagte aber zu, in Schlachthöfen - Orten von Masseninfektionen wie zuletzt bei der Firma Tönnies im Kreis Gütersloh mit über 1500 Angesteckten - für bessere Verhältnisse zu sorgen. „Wir werden die Werkverträge für diese Branche abschaffen, weil sie ausgenutzt wurden. Damit werden die Kosten steigen. Das ist in Ordnung so. Dann wird es wieder bessere Wettbewerbsbedingungen geben.“

Angesichts der am Mittwoch begonnenen, halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands war Merkel auch nicht besonders euphorisch. So müssten die Verhandlungen mit Großbritannien über die Beziehungen nach dem Brexit intensiviert werden. Bislang seien die Fortschritte „sehr übersichtlich“. Die EU müsse sich darauf einstellen, dass der Austritt Großbritanniens ohne Vertragswerk zustande komme - dann drohen unter anderem Zölle. Die Briten hatten die EU Ende 2019 verlassen, eine Übergangsfrist endet mit 2021, und es steht in den Sternen, ob es gelingt, bis dahin neue Handelsverträge auszuhandeln. Der Europäische Rat ist das Gremium der 27 EU-Staats- und Regierungschefs.
„Das ist sehr ernst“ fand Merkel auch, dass es zwischen zwei NATO-Partnern zu einer Konfrontation im Mittelmeer gekommen war. Am 10. Juni hatte ein türkisches Kriegsschiff sein Feuerleitradar mehrmals auf eine französische Fregatte ausgerichtet - die Franzosen nannten das „extrem aggressiv“. Die NATO hat eine Untersuchung angekündigt.
Merkel verteidigte die Pläne zum Kohleausstieg und die Hilfen für die Kohleregionen. „Ich glaube, wir haben etwas Großes geschafft.“ Bundestag und Bundesrat wollen am Freitag Gesetze zum Kohleausstieg beschließen. Es geht um einen Fahrplan zum Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung bis spätestens 2038 sowie darum, dass der Bund den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg mit 40 Milliarden Euro beim Umbau ihrer Wirtschaft sowie beim Ausbau der Infrastruktur helfen sollen. Merkel sagte, man könne nicht sagen, dass die Kohlekommission mit dieser Summe „knauserig“ war. Die Kanzlerin räumte ein, dass die große Koalition nicht voll den Empfehlungen der Kommission gefolgt sei. „Ich weiß, dass wir Hänger haben in der Mitte der 20er Jahre.“