Mehr Geld für sechs Millionen Menschen – aber ...

Mindestlohn steigt 2024, aber nur um 41 Cent pro Stunde auf 12,41 Euro

2015 startete der Mindestlohn bei 8,50 Euro, Anfang 2024 soll er um 3,42 Prozent von 12 auf 12,41 Euro steigen. Die Entscheidung in der Mindestlohnkommission war umstritten.

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An den Gesichtern kann man ablesen, was die drei wichtigsten Mitglieder der Mindestlohnkommission von der 12,41-Euro-Empfehlung halten: Die Vorsitzende Christiane Schönefeld und Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lächeln, beim DGB-Mann Stefan Körzell zeigen die Mundwinkel abwärts.
An den Gesichtern kann man ablesen, was die drei wichtigsten Mitglieder der Mindestlohnkommission von der 12,41-Euro-Empfehlung halten: Die Vorsitzende Christiane Schönefeld und Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lächeln, beim DGB-Mann Stefan Körzell zeigen die Mundwinkel abwärts.Michael Kappeler/dpa

Der Mindestlohn in Deutschland soll Anfang 2024 um 41 Cent auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben werden, ein Jahr später auf 12,82 Euro. Das schlägt die zuständige Kommission der Bundesregierung vor. Es würde rund sechs Millionen Arbeitnehmer betreffen. Diese Erhöhung um 3,42 Prozent, wenn sie so übernommen wird, fiele deutlich niedriger aus, als es Sozialverbände angesichts der Inflation verlangt hatten. Sie wollten eine Erhöhung auf 14 Euro. Eine Forderung, die in der Wirtschaft nicht auf Gegenliebe stieß. 

Allerdings wurde die Empfehlung nicht einstimmig ausgesprochen: Die Gewerkschaftsvertreter wollten mehr, wurden aber in der Kommission überstimmt. Das DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, Mitglied der Mindestlohnkommission, sagte: „Für eine Anpassung lediglich im Cent-Bereich konnten wir auf keinen Fall unsere Hand reichen.“

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Gewerkschaften beklagen Reallohnverlust

Bei 12,41 Euro würden die Anspruchsberechtigten angesichts der Inflation einen Reallohnverlust erleiden. Der Mindestlohn müsse daher mindestens auf 13,50 Euro steigen.

„Die Beschlussfassung fällt in eine Zeit schwachen Wirtschaftswachstums und anhaltend hoher Inflation in Deutschland, die für Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen große Herausforderungen darstellen“, heißt es im Beschluss der Mindestlohnkommission. Die Mehrheit der Kommission halte es im Rahmen einer Gesamtabwägung für vertretbar, den Mindestlohn in diesem Umfang zu erhöhen.

Patt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern

Die Positionen lagen so weit auseinander, dass die Verhandlungen der Kommission bis in den frühen Montagmorgen dauerten, sagte die Vorsitzende Christiane Schönefeld. Da es in der Kommission ein Patt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gab, entschied  ihre Stimme.

Die Kommission, die die Vorschläge für den Mindestlohn macht, setzt sich aus drei Vertretern der Arbeitgeber, drei Vertretern der Gewerkschaften, zwei Wissenschaftlern sowie der Vorsitzenden zusammen. Alle zwei Jahre beraten sie über eine mögliche Erhöhung der Lohnuntergrenze und berücksichtigen dabei die Tarifentwicklung im Land.

Ihre Empfehlungen werden in der Regel von der Regierung übernommen und per Verordnung verbindlich gemacht. Im Herbst 2022 gab es eine Ausnahme, als die Ampelkoalition ohne Beteiligung der Kommission den Mindestlohn per Gesetz von 10,45 auf 12 Euro anhob.

So hat sich der Mindestlohn seit seiner Einführung entwickelt

Seit seiner Einführung im Jahr 2015 war der Mindestlohn schrittweise von 8,50 Euro auf jetzt 12 Euro erhöht worden, was einem Anstieg von 41 Prozent entspricht. Insbesondere im vergangenen Jahr gab es deutliche Erhöhungen. Ende 2021 betrug der Mindestlohn noch 9,60 Euro. 

Im Zeitraum von 2015 bis 2022 stiegen die Verbraucherpreise um durchschnittlich 16,6 Prozent. Der Mindestlohn ist bislang im Vergleich zu den Verbraucherpreisen also überproportional gestiegen. Das endet jetzt.

Rund sechs Millionen Menschen in Deutschland arbeiten für den Mindestlohn

Laut Statistischem Bundesamt waren im Oktober ungefähr sechs Millionen abhängig Beschäftigte (15 Prozent) im Niedriglohnsektor tätig. Der Niedriglohnbereich umfasst Arbeitsplätze, bei denen weniger als 12,76 Euro pro Stunde gezahlt wird. Durch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro im Oktober profitierten schätzungsweise rund 5,8 Millionen Menschen, die zuvor weniger als 12 Euro pro Stunde verdienten. Knapp sechs Millionen Arbeitnehmer werden also voraussichtlich ab Januar von der Mindestlohnerhöhung profitieren.

Derzeit liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12 Euro – viele Branchen sollen ab 2024 mehr zahlen müssen.
Derzeit liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12 Euro – viele Branchen sollen ab 2024 mehr zahlen müssen.Marc Tirl/dpa

Hier gibt es keinen Mindestlohn

Für Azubis gibt es eigene Regeln (Mindestvergütung für Auszubildende). Und auch Schülerjobs fallen nicht unter die Mindestlohn-Regel: Wer unter 18 ist und noch keinen Berufsabschluss hat, hat keinen Anspruch auf Mindestlohn. Handelt es sich bei einem Praktikum um ein freiwilliges „Orientierungspraktikum“ neben Studium oder Ausbildung, besteht nur dann  Anspruch auf Mindestlohn, wenn es länger dauert als drei Monate. Bei „Pflichtpraktika“, die als Teil des Studiums absolviert werden müssen, besteht ebenfalls kein Anspruch.

Was droht einem Arbeitgeber, der weniger zahlt?

Zahlt eine Firma keinen Mindestlohn, drohen ihr Geldbußen bis zu 500.000 Euro. Außerdem kann das Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Auf der Internetseite des Bundesarbeitsministeriums gibt es einen Mindestlohn-Rechner: Damit lässt sich überprüfen, ob das Gehalt unter dem Mindestlohn liegt. Für den Fall von Verstößen gibt es beim zuständigen Zoll die Mindestlohn-Hotline: (030) 60 28 00 28.