Nach dem Untergang eines Flüchtlingsschiffs

Massengrab Mittelmeer: Ermittlungen gegen Schleuser, Vorwürfe gegen Küstenwache

Nach dem Untergang eines Flüchtlingsschiffs mit über 500 Toten beginnt die Suche nach den Hintermännern. Gerettete berichten, die griechische Küstenwache habe die Katastrophe verursacht.

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Der in Hamburg lebende Syrer Kassem steht in Kalamata vor dem Lagerhaus mit Überlebenden und telefoniert. Seine Frau soll auf dem Seelenverkäufer gewesen sein. Wenn das stimmt, wird er sie nie wiedersehen, keine Frau ist unter den Überlebenden.
Der in Hamburg lebende Syrer Kassem steht in Kalamata vor dem Lagerhaus mit Überlebenden und telefoniert. Seine Frau soll auf dem Seelenverkäufer gewesen sein. Wenn das stimmt, wird er sie nie wiedersehen, keine Frau ist unter den Überlebenden.Angelos Tzortzinis/AFP

Nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer besteht keine  Hoffnung mehr, Überlebende zu finden. Dafür gilt es jetzt, die Hintergründe der Todesfahrt zu klären, und ob die griechische Küstenwache den Untergang des Schiffes verursacht hat.

In der Nacht zu Mittwoch war ein mit vermutlich über 700 Menschen besetztes Fischerboot 90 Kilometer vor der griechischen Halbinsel Peloponnes gesunken. Nur 104 konnten gerettet werden. 78 Tote wurden geborgen, alle anderen liegen vermutlich 5000 Meter tief auf dem Meeresgrund im Rumpf des Boots.

Neun Männer wurden festgenommen

Unter ihnen befanden sich neun Ägypter, die von anderen Passagieren als Helfer der Schleuser identifiziert wurden. Sie sollen Teil eines internationalen Schleuserrings sein, der in den vergangenen Monaten bis zu 18 Fahrten von Libyen nach Italien organisiert und pro Kopf bis zu 6000 Euro von den Passagieren  verlangt habe, berichten griechische Medien.

Kassem aus Hamburg zeigt ein Selfie mit seiner Frau Ezra auf dem Handy. Sie und ihr Bruder waren sehr wahrscheinlich auf dem Todesschiff und werden vermisst. (AP Photo/Thanassis Stavrakis)
Kassem aus Hamburg zeigt ein Selfie mit seiner Frau Ezra auf dem Handy. Sie und ihr Bruder waren sehr wahrscheinlich auf dem Todesschiff und werden vermisst. (AP Photo/Thanassis Stavrakis)Thanassis Stavrakis/AP

Die Ägypter sollen am Montag Staatsanwälten vorgeführt werden. Zeitungsberichten zufolge hat einer der Festgenommenen zugegeben, Geld für Arbeiten an Bord erhalten zu haben. Die anderen stritten alle Vorwürfe ab.

Griechenland hat inzwischen die europäische Polizeibehörde Europol gebeten, bei den Ermittlungen zu helfen. In Athen arbeiten Forensiker weiter daran, die geborgenen Toten zu identifizieren, die nur zu einem kleinen Teil Papiere an sich hatten.

Vorwürfe gab es gegen die griechische Küstenwache. Zunächst hieß es, die Beamten hätten nicht eingegriffen und damit dazu beigetragen, dass das Schiff Hunderte Menschen auf den Grund des Meeres mitnahm.

Das Boot der Küstenwache konnte am Tag nach dem Untergang nur noch Tote bergen.
Das Boot der Küstenwache konnte am Tag nach dem Untergang nur noch Tote bergen.Thanassis Stavrakis/AP

Küstenwache wehrt sich gegen Vorwürfe

Die Küstenwache wehrte sich: Man habe den Menschen an Bord mehrere Stunden vor dem Unglück ein Seil zugeworfen, um sie in Sicherheit zu bringen. Diese hätten das Seil jedoch zurückgeworfen, weil sie nicht nach Griechenland wollten, sondern nach Italien.

Einem Bericht des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zufolge soll die Küstenwache versucht haben, das überladene Schiff Richtung Italien zu schleppen. Dies hätten zehn Überlebende unabhängig voneinander einem Reporter des WDR so geschildert.

Dabei soll das Schiff ins Wanken geraten und schließlich gesunken sein.