Lula gewinnt hart umkämpfte Präsidentschaftswahl in Brasilien – mit Mini-Vorsprung
Der Amtsinhaber Jair Bolsonaro hat die Niederlage bisher nicht eingeräumt.

Der linksgerichtete frühere Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Die Wahlbehörden erklärten Lula am Sonntag nach Auszählung von fast allen Wahllokalen mit rund 51 Prozent der Stimmen in der Stichwahl zum Sieger der Präsidentschaftswahl. „Dieses Land braucht "Frieden und Einheit“, erklärte Lula in São Paulo vor jubelnden Anhängern. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt 49 Prozent der Stimmen - er hat seine Niederlage bisher nicht eingeräumt.
Lula rief nun zur Einheit auf. „Die Brasilianer wollen nicht mehr kämpfen“, sagte der 77-Jährige in seiner Siegesansprache. „Niemand will in einem gespaltenen Land leben, das sich in einem Zustand des ständigen Krieges befindet.“
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Er ging unter anderem auf die Hungerkrise ein, von der mehr als 33 Millionen Brasilianer betroffen sind. „Heute sagen wir der Welt, dass Brasilien zurück ist“, erklärte Lula und versprach, gegen die Abholzung im Amazonasgebiet vorzugehen.
Klima-Hoffnung auf ein Ende der Vernichtung des brasilianischen Regenwalds
Der südamerikanische Regenwald, zu 60 Prozent auf brasilianischem Gebiet, ist Sauerstoffquelle der Welt und für das Weltklima bedeutsam, weil er das Treibhausgas Kohlendioxid bindet.

In der Amtszeit Bolsonaros war die zugunsten Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung abgeholzte Waldfläche von gut 7500 Quadratkilometern 2018 auf über 13.000 Quadratkilometer 2021 gestiegen, ermittelte das Brasilianische Institut für Weltraumforschung anhand von Satellitenbildern. Das war die fast 15-fache Fläche Berlins. 18 Prozent des brasilianischen Regenwaldgebiets sind durch Kettensäge und Waldbrände mittlerweile kahl.
Lula bekam in der Stichwahl 50,9 Prozent der Stimmen
Der frühere Gewerkschaftschef Lula, bekam in der Stichwahl 50,9 Prozent der Stimmen, sein Konkurrent Bolsonaro 49,1 Prozent. Der Amtsinhaber reagierte bisher nicht öffentlich auf das Ergebnis - auch nicht in den Online-Netzwerken, wo Bolsonaro für gewöhnlich sehr aktiv ist. Alle Augen richten sich nun auf ihn - viele Brasilianer befürchten, dass Bolsonaro ähnlich wie der abgewählte US-Präsident Trump eine Wahlniederlage nicht akzeptieren wird. Mit Bolsonaros Niederlage scheitert ein brasilianischer Präsident das erste Mal an der Wiederwahl.
„In jedem Land der Welt hätte mich der unterlegene Kandidat angerufen, um seine Niederlage eingestehen“, sagte Lula vor seinen Anhängern. „Er hat mich immer noch nicht angerufen. Ich weiß nicht, ob er anrufen wird und ob er es eingestehen wird.“ Er führte fort: „Ich wäre gern nur glücklich, aber ich bin zur Hälfte glücklich, zur Hälfte besorgt.“

Der Sieg Lulas war von seinen Wählern in manchen Städten wie Rio de Janeiro und São Paulo mit Feuerwerken und Freudenschreien begrüßt worden. Wie Reporter der Nachrichtenagentur beobachteten, feierten Hunderttausende in São Paulos Straßen. „Lula, das ist ein Synonym für Hoffnung, Hoffnung, bessere Tage zu sehen“, sagte die mitfeiernde Lehrerin Alexandra Sitta.
Einige Anhänger Bolsonaros versammelten sich in der Hauptstadt Brasília und weigerten sich, das Ergebnis zu akzeptieren. „Das brasilianische Volk wird eine gefälschte Wahl nicht schlucken und unser Land einem Dieb überlassen“, sagte die Lehrerin Ruth da Silva Barbosa (50).
Sie spielte darauf an, dass Lula in einem Korruptionsprozess zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Er saß bis November 2019 für 580 Tage im Gefängnis. Er kam frei, nachdem herausgekommen war, dass er Opfer eines Justiz-Komplotts geworden war, um an einer erneuten Kandidatur für das Präsidentenamt zu hindern.
Glückwünsche für Lula aus aller Welt
Bald nach Bekanntgabe des Ergebnisses trudelten derweil die ersten Glückwünsche internationaler Politiker ein. „Ich gratuliere Luiz Inácio Lula da Silva zu seiner Wahl zum nächsten Präsidenten nach freien, fairen und glaubwürdigen Wahlen“, erklärte US-Präsident Joe Biden. Er freue sich auf die Zusammenarbeit zwischen den USA und Brasilien.
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Der französische Staatschef Emmanuel Macron beglückwünschte Lula zu seiner Wahl, die „eine neue Seite in der Geschichte Brasiliens aufschlägt“. „Zusammen werden wir unsere Kräfte bündeln, um die vielen gemeinsamen Herausforderungen anzugehen und das Band der Freundschaft zwischen unseren Ländern zu erneuern“, schrieb Macron bei Twitter.
Am Wahlsonntag hatten von der Verkehrspolizei eingerichtete Kontrollpunkte für Unruhe gesorgt, welche die Anreise zu Wahllokalen erschwerten. Die Kontrollen fanden im Nordosten des Landes statt, wo Lula besonders starken Rückhalt hat.
Zur Wahl waren mehr als 150 Millionen Menschen aufgerufen. Bei der ersten Wahlrunde am 2. Oktober hatte Lula, der bereits in den Jahren 2003 bis 2010 Präsident war, 48 Prozent der Stimmen erzielt, Bolsonaro kam auf 43 Prozent. Der Wahlkampf war in einer extrem polarisierten Atmosphäre geführt worden.