Lebensmittel rasend teurer: Es ist die Gier der Hersteller, sagen Analytiker
Laut einer Untersuchung eines Kreditversicherers schlagen die Lebensmittelhersteller mehr auf die Preise auf als notwendig.

Der teilweise exzessive Anstieg der Lebensmittelpreise in den vergangenen Monaten ist nicht nur auf die gestiegenen Rohstoffkosten und Energiepreise zurückzuführen. Das erklärte der Kreditversicherer Allianz-Trade. Teilweise stiegen die Verbraucherpreise demnach darüber hinaus. „Übermäßige Gewinnmitnahmen“ der Unternehmen hätten spürbar zur Lebensmittelinflation im vergangenen Jahr beigetragen, sagte der Inflationsexperte von Allianz-Trade, Andy Jobst.
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In Europa hätten die Lebensmittelpreise zuletzt fast ein Drittel der Teuerung ausgemacht, im Vorjahr mit 21 Prozent nur ein Fünftel. In Deutschland trugen diese Preise sogar mit 40 Prozent zur Inflation bei (Vorjahr: 20 Prozent), errechnete das Unternehmen.
„Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben sowie unzureichenden Wettbewerb in den Bereichen mit besonders starken Preissteigerungen, wie zum Beispiel bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nicht-saisonalem Gemüse und Obst“, sagte der Branchenkenner.
Ein Drittel der Preissteigerungen können nicht mit Rohstoff- und Energiekosten begründet werden
Mehr als ein Drittel der Verteuerung in den vergangenen Monaten könne in Deutschland nicht mit den traditionellen Treibern wie den Rohstoffkosten oder der Entwicklung der Energiepreise werden, sagte Jobst.
Europaweit lagen die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak laut Allianz Trade zufolge im ersten Quartal 2023 um knapp 15 Prozent über dem Vorjahresniveau, in Deutschland sogar um rund 22 Prozent. Somit legte die Lebensmittel-Inflation in Europa im Vergleich um 1,5 Prozentpunkte zu, in Deutschland aber um über zwei Prozentpunkte.
Die Inflation insgesamt ist im März in Deutschland auf 7,4 Prozent gesunken und könnte laut Statistischem Bundesamt noch niedriger sein, wären da nicht die Lebensmittel: Insbesondere verteuerten sich im März Molkereiprodukte und Eier (34,6 Prozent gegenüber März 2022). Deutlich teurer binnen Jahresfrist wurden außerdem Gemüse (plus 27,3), Brot und Getreideerzeugnisse (plus 23,8) sowie Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte (plus 22,2). Zucker legte um 70,9 Prozent zu.

Lebensmittelhersteller schlagen stärker zu als der Einzelhandel
„Wir beobachten, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind. Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler“, sagte der Allianz-Trade-Branchenexperte Aurélien Duthoit.
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Die Lebensmittelproduzenten hätten in Deutschland 2022 rund 18,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr aufgeschlagen, der Lebensmitteleinzelhandel dagegen „nur“ 12,6 Prozent. Viele Einzelhändler hätten offenbar nicht alle gestiegenen Kosten an die Kunden weitergegeben. Das zeige sich auch in schrumpfenden Bruttomargen vieler Händler.
Profitgier in Deutschland besonders ausgeprägt
Insgesamt sei das Profitstreben in Deutschland etwa drei Mal so hoch wie im übrigen Europa und könne nicht mit traditionellen Kostentreibern erklärt werden. Es sei ein Anzeichen für unzureichenden Wettbewerb – insbesondere Hersteller verpackter Lebensmittel hätten zugeschlagen.
Zwar seien Arbeitskräfte teurer geworden, zugleich sänken die Rohstoff- und Energiepreise.
Mit einem schnellen Ende der Preissteigerungen bei Lebensmitteln rechnen die Allianz-Trade-Experten nicht. Sie erwarten, dass sich Nahrungsmittel in Deutschland in diesem Jahr noch einmal um mehr als zwölf Prozent verteuern.
Die anhaltende Teuerung bei den Lebensmitteln habe auch Auswirkungen auf den Binnenkonsum und damit auf andere Wirtschaftszweige. Jobst: „Wenn die Verbraucher mehr für Lebensmittel bezahlen, geben sie weniger Geld für andere Dinge aus, was eine wirtschaftliche Erholung verlangsamen könnte.“