Krawalle in Nordirland: Ein Funke entzündet den alten Hass
Nach neuen nächtlichen Krawallen haben Politiker beider konfessioneller Lager in Nordirland am Donnerstag die Ausschreitungen scharf verurteilt.

Vermummte huschen über den Asphalt, meterhohe Flammen schlagen aus einem brennenden Linienbus – die Bilder der Krawalle in Belfast wecken böse Erinnerungen an die jahrelange Gewalt in Nordirland.

Seit Tagen kommt es in der britischen Provinz zu Ausschreitungen, bei denen inzwischen mehr als 50 Polizisten verletzt wurden. Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden stecken dahinter teils militante protestantisch-loyalistische Gruppierungen, die auch im Drogenhandel tätig sind.
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Die Regierung kam am Donnerstag zusammen, um die Unruhen zu verurteilen. „Zerstörung, Gewalt und die Androhung von Gewalt sind völlig inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen, welche Sorgen auch immer in den Gemeinschaften bestehen mögen“, hieß es in der gemeinsamen Erklärung von britischen Unionisten, Nationalisten und anderen Parteien.

Außer Dutzenden Polizisten wurde auch ein Busfahrer verletzt, dessen Bus in der Nacht zum Donnerstag mit einer Brandbombe angegriffen wurde. Die gesetzgebende Versammlung unterbrach die Osterpause für eine Dringlichkeitsdebatte über die Unruhen.
Unzufriedenheit mit Brexit-Abkommen
Vorgeblicher Anlass für die Randale ist die Entscheidung der Polizei, Politiker der katholisch-republikanischen Sinn-Fein-Partei nach Teilnahme an der großen Beerdigung eines ehemaligen IRA-Terroristen nicht wegen Verstößen gegen Corona-Regeln zu belangen.
Außerdem wächst im protestantischen Lager die Unzufriedenheit mit den Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU, der am 1. Januar vollständig vollzogen wurde. Die Unionisten lehnen die Vereinbarung zwischen London und Brüssel ab, wonach aus Großbritannien nach Nordirland eingeführte Waren kontrolliert werden müssen.
Jahrzehntelanger Hass zwischen Katholiken und Protestanten
Die Regelung soll verhindern, dass es zwischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland wieder eine geschlossene Grenze gibt, da dies das Karfreitagsabkommen in Gefahr bringen würde. Dieses war 1998 geschlossen worden, um den jahrzehntelangen gewaltsamen Konflikt zwischen pro-britischen Protestanten und den nach Unabhängigkeit von London strebenden Katholiken zu beenden.
Auch die Polizei und das britische Militär wurden damals in den Konflikt hineingezogen. Mehr als 3600 Menschen starben, fast 50.000 wurden verletzt. Noch immer ist die Gesellschaft tief gespalten.