Anstehen zum digital gesteuerten Melken. Geht hier was schief und ist der Bauer ausgefallen, muss der Betriebshelfer technisch fit sein
Anstehen zum digital gesteuerten Melken. Geht hier was schief und ist der Bauer ausgefallen, muss der Betriebshelfer technisch fit sein Foto: imago/Norbert Fellechner

Städter können nur staunen, was für ein Hilfsnetz für Bauern in Not gewebt wurde: Eine Truppe von 5000 fliegenden Helfern sorgt dafür, dass Deutschlands Kühe auch dann gemolken und die Schweine gefüttert werden sowie die Ernte eingeholt wird, wenn der Bauer krank ist. 

Die Hopfenernte in Neuburg an der Donau war gerade vorbei, es musste nur noch aufgeräumt werden. Da schoss dem Landwirt Lorenz Reich der Schmerz ins Kreuz. Bandscheibenvorfall. Wer sollte jetzt auf dem Hof weiterarbeiten? Die 1958 in Westdeutschland begonnene Lösung: Betriebshelfer werden über 240 regionale Vereine („Maschinenringe“) an die der rund 190.000 angeschlossenen Betriebe vermittelt, wenn auf einem Hof ein Mitarbeiter ausfällt, also meist der Landwirt selbst. 

Heugabel schwingen können – das reicht nicht

Im Gegensatz zu früher, als sich Nachbarn oft unkompliziert im Stall gegenseitig unterstützten, gibt es in vielen Dörfern höchstens noch einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Technik wird stets komplizierter, so dass Experten gebraucht werden, die Trecker fahren, komplizierte Erntemaschinen oder Melkroboter bedienen können. Die Heugabel schwingen – das reicht nicht.

Das Problem: Es gibt immer weniger solcher Helfer, die der Maschinenring vermitteln kann. Die Landwirtschaft habe genau wie das Handwerk mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen, sagt Patrick Fischer, Sprecher des Bundesverbandes der Maschinenringe, der um Nachwuchs wirbt.

Betriebshelfer Patrick Lerchl (l.) und Lorenz Reich spannen die Rankdrähte auf einem abgeernteten Hopfenfeld. Bauer Reich hatte dafür dringend Hilfe gebraucht: Der Rücken.   
Betriebshelfer Patrick Lerchl (l.) und Lorenz Reich spannen die Rankdrähte auf einem abgeernteten Hopfenfeld. Bauer Reich hatte dafür dringend Hilfe gebraucht: Der Rücken.    Foto: Timo Jaworr/Bundesverband der Maschinenringe/dpa

Der Mangel resultiert unter anderem daraus, dass Landwirte nach der Ausbildung oder dem entsprechenden Studium oft früh im elterlichen Betrieb einsteigen oder in anderen Agrarbereichen eine Stelle finden. Fischer: „Dazu kommt, dass Betriebshelfer flexibel sein müssen. Im Schnitt übernimmt ein Betriebshelfer zehn bis zwölf verschiedene Betriebe pro Jahr.“

Bauer Reich war erst unsicher, als Betriebshelfer Patrick Lerchl auf seinen Hof kam. Doch die Chemie habe sofort gestimmt. „Patrick ist ein engagierter Mann, er hat sofort verstanden, worum es geht. Er hat gesehen, was zu tun ist. Mir war dann klar: Der kann das, der macht das, das läuft.“

Job mit Abwechslung, aber auch mit Anstrengung

Lerchl hat die Ausbildung zum Landwirt gemacht, ohne einen Hof in der Familie zu haben. „Das war immer schon mein Ding, meine Leidenschaften sind Tiere und Technik.“ An seiner Stelle schätzt er die Abwechslung - was aber zugleich bedeutet, dass er spontan sein muss: Es komme schon vor, dass um 14 Uhr das Handy klingelt und er für den späten Nachmittag zum Einsatz gerufen wird. Oder dass er eigentlich Urlaub hat, dann aber schnell Hilfe auf einem Hof gebraucht wird, weil der Landwirt eines Herzinfarkt erlitten hat. 

Die  Helfer müssen sich nicht nur in den Hof einfügen, sondern auch schnell mit der Technik vertraut sein.  Gerade aber für junge Landwirte sei das oft ein Argument, ein paar Jahre in der Betriebshilfe dazu zu lernen.  Fischer: „Als Betriebshelfer bekommen sie einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Techniken und Hersteller.“

Neben den Betriebshelfern gibt es auch ein Netz an Dorfhelferinnen, die vor allem bei hauswirtschaftlichen Fragen zum Einsatz kommen oder wenn auf dem Hof Angehörige zu pflegen oder Kinder zu betreuen sind.

Das System der Betriebshilfe ist eine Art Alleinstellungsmerkmal für die Landwirtschaft. Wenn die Bäcker-Meisterin mit eigener Backstube krank wird oder der Friseur mit eigenem Salon sich den Arm bricht, gibt es in der Regel keine schnelle Hilfe durch eine übergeordnete Stelle.

Bezahlen müssen die Bauern nicht selbst für die Betriebshilfe. Die landwirtschaftliche Sozialversicherung übernimmt für ihre Versicherten die Kosten. Von 2014 bis 2019 seien im Durchschnitt pro Jahr rund 63.000 Einsätze für Betriebs- und Haushaltshilfe bewilligt worden, heißt es bei der Versicherung.