Konzerne mit Super-Umsätzen: Letzter Boom vor dem Kollaps?
Bei Mercedes, Deutscher Bank & Co laufen die Geschäfte noch gut, sagen Wirtschaftsprüfer, aber warnen vor dem Herbst und Winter.

Von allen Seiten prasseln wirtschaftliche Schreckensmeldungen herein, Wirtschaftsverbände stoßen Kassandra-Rufe aus: Hohe Inflation, Ukraine-Krieg, teure Energie, Ausfall von Arbeitskräften durch Corona. Das Ende scheint nahe. Gleichzeitig darf man rätseln: Mercedes will 2022 stärker wachsen als erwartet, ebenso der Pharma- und Chemiekonzern Merck. Die Deutsche Bank überrascht mit einem Milliardengewinn. Der Konsumgüterkonzern Henkel und der Aromen-Hersteller Symrise erhöhen ihre Umsatzprognosen. Die Geschäfte vieler deutscher Börsenschwergewichte laufen trotz krisenhafter Folgen des Ukraine-Krieges rund.
Trotz vieler Probleme gute Geschäftsentwicklung
„Die Geschäftsentwicklung war bei der Mehrzahl der Unternehmen auch im zweiten Quartal bemerkenswert gut – vor allem vor dem Hintergrund des extrem herausfordernden Umfelds“, sagte Ahlers, Deutschland-Chef der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY.
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In der Summe sei der Umsatz der im Aktien-Index Dax gelisteten Konzerne laut EY-Daten um 13,7 Prozent auf fast 450 Milliarden Euro gestiegen. Es war der höchste Wert in einem zweiten Quartal seit Beginn der Auswertung 2013. Der operative Gewinn vor Steuern und Zinsen der 40 Dax-Konzerne allerdings sank gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar um 19,3 Prozent auf knapp 39,6 Milliarden Euro. Das sei aber immer noch der zweithöchste Wert im Zeitraum April bis Juni.
Angeschoben wurden die Geschäfte vor allem von hohen Zuwächsen in den USA. In Nordamerika stiegen die Umsätze um 23 Prozent.
Bislang gelingt es EY zufolge vielen Unternehmen aber auch, steigende Material-, Logistik- und Energiepreise weiterzureichen. Zudem sei die Nachfrage in vielen Branchen trotz Inflation, steigender Zinsen und wachsender Konjunktursorgen bemerkenswert hoch geblieben. „Wenn im Herbst und Winter stark steigende Energiekosten die Budgets der Konsumenten massiv belasten, könnte die Stimmung allerdings rasch umschlagen“, sagt aber EY-Partner Mathieu Meyer.
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Stagnation beim Bruttoinlandsprodukt
Der Ukraine-Krieg verschärfe vorhandene Probleme. Steigende Energiepreise und Lieferengpässe belasten die Industrie. Zugleich bremst die höchste Inflation seit Jahrzehnten den privaten Konsum, eine Stütze der Konjunktur. Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte nach vorläufigen Zahlen im zweiten Quartal.
Im Gesamtjahr sieht Industriepräsident Siegfried Russwurm das Wirtschaftswachstum in Deutschland inzwischen stärker in Gefahr. Noch im Juni ging der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von 1,5 Prozent aus. Das werde zunehmend schwieriger, sagte Russwurm jüngst. „Das hängt nicht nur an den Gaspreisen.“ Der BDI-Chef nannte auch die Zinserhöhungen in den USA und deren Folgen für die Konjunktur im größten deutschen Exportmarkt sowie das schwache Wachstum in China.
„Viele Unternehmen stellen ihre Energieversorgung bereits um. Andere müssen schlichtweg die Produktion einstellen, weil Aufwand und Ertrag nicht mehr zusammenpassen“, berichtete Russwurm. Die Stimmung in deutschen Unternehmen sackte nach Angaben des Ifo-Instituts im Juli auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren.
„Ernstzunehmendes Risiko eines Nachfrageeinbruchs“ für die Wirtschaft
Auch nach Einschätzung von EY-Manager Ahlers mehren sich die Zeichen, „dass die Rekordjagd für die deutschen Top-Konzerne bald vorüber ist: Immer mehr Unternehmen spüren die sehr hohen Energie- und Rohstoffpreise und die zunehmende Zurückhaltung der Verbraucher. Denn selbst wenn die Lage derzeit insgesamt noch gut ist, besteht doch das ernstzunehmende Risiko eines Nachfrageeinbruchs.“