Beschäftigte der Deutschen Post bei einer Kundgebung in Dortmund (NRW). Bei ersten Warnstreiks blieben in den vergangenen Wochen Millionen Briefe und Pakete liegen.
Beschäftigte der Deutschen Post bei einer Kundgebung in Dortmund (NRW). Bei ersten Warnstreiks blieben in den vergangenen Wochen Millionen Briefe und Pakete liegen. Bernd Thissen/dpa

Briefe und Pakete kommen nicht an, der Müll bleibt liegen, in Kliniken müssen Patienten warten, Flughäfen schließen den Betrieb und die Kinder sind daheim statt in der Kita: Schon in den vergangenen Wochen bekamen die Deutschen die Auswirkungen des Tarifstreits im öffentlichen Dienst am eigenen Leib zu spüren. Doch das könnte erst der Anfang sein. Die Lohnforderungen sind so hoch wie nie und gleichzeitig waren die Fronten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaftern nie so verhärtet. In Potsdam beginnt am Nachmittag die zweite Runde der Verhandlungen, und finden die Tarifpartner keine Lösung, steuert Deutschland auf eine riesige Streikwelle zu.

Es gehe um gerechte Bezahlung, wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen, motivierte Mitarbeitende, sagte der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, vor Beginn der Verhandlungen. „Dazu wollen wir nun endlich konstruktive Ideen und Angebote hören. Andernfalls ist eine Verschärfung des Konflikts und der Streiks unausweichlich.“

Welche Ausmaße das annehmen könnte, machte Verdi-Chef Frank Werneke in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe klar. „Den Arbeitgebern dürfte klar sein, dass wir an ganz vielen Stellen arbeitskampffähig sind.“ Die Bereitschaft, sich an Aktionen zu beteiligen, sei unter den Beschäftigten so ausgeprägt und so stark wie lange nicht mehr. „Da ist jetzt richtig Druck auf dem Kessel.“

Gewerkschaft droht mit Ausweitung der Streiks

Hatten die Gewerkschaften mit den Warnstreiks an sieben großen deutschen Flughäfen vergangene Woche schon quasi den gesamten Flugverkehr lahmgelegt und aus Arbeitgeber-Sicht den Bogen damit gehörig überspannt, könnte nun außer in Kitas auch in anderen Bereichen Stillstand drohen. „Hinzu kommen zum Beispiel die Müllabfuhr oder die Krankenhäuser“, so Werneke. Auch Schleusen an den Wasserstraßen würden womöglich nicht bedient. „Und vielleicht gibts keine Knöllchen, wenn die Angestellten der Ordnungsämter in den Ausstand treten.“

Streikversammlung der Münchner Straßenreiniger – sie verweigern zwei Tage lang den Dienst.
Streikversammlung der Münchner Straßenreiniger – sie verweigern zwei Tage lang den Dienst. Matthias Balk/dpa

Die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen fordern von Verdi und dbb angesichts der rasant gestiegenen Inflation eine Steigerung der Einkommen von 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Kita-Streik: In Mecklenburg-Vorpommern gingen Beschäftigte auf die Straße und forderten mehr Lohn.
Kita-Streik: In Mecklenburg-Vorpommern gingen Beschäftigte auf die Straße und forderten mehr Lohn. Jens Büttner/dpa

Von Arbeitgeberseite kam Kritik an den drastischen Streikdrohungen. Sie könne „Streikaufrufe zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht nachvollziehen“, erklärte die Verhandlungsführerin und Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge (SPD). Die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen verwies darauf, dass insgesamt drei Verhandlungsrunden vereinbart worden seien – nun stehe erst die zweite an. „Die Streikaufrufe belasten völlig unnötigerweise weite Teile der Bevölkerung, die ohne Anlass in Mitleidenschaft gezogen werden.“

Und mit dem Streit um mehr Geld für den öffentlichen Dienst nicht genug – auch bei der Deutschen Post stehen alle Zeichen auf einen unbefristeten Arbeitskampf. Noch bis zum 8. März läuft die Urabstimmung. Und auch hier stehen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber so unversöhnlich gegenüber wie seit Jahren nicht. Zuletzt hatten die Postler im Tarifzoff vor acht Jahren ihre Arbeit auf unbestimmte Zeit niedergelegt.

Post: Keine Lohnerhöhung trotz Rekordgewinn? 

Verdi geht es im Streit um eine Lohnerhöhung im Haustarifvertrag und einen Inflationsausgleich für die 160.000 Beschäftigten. 15 Prozent mehr bei einer Vertragslaufzeit von zwölf Monaten verlangt die Gewerkschaft und rechtfertigt das mit dem erwarteten Rekordgewinn, den Vorstandschef Frank Appel aller Voraussicht nach am 9. März auf der Bilanz-Pressekonferenz verkünden wird.