Kim Yo Jong: Wer ist Nordkoreas neue starke Frau?
Schwester von Machthaber Kim Jong Un rückte zur „Führerin Nummer zwei“ auf.

Hartnäckig halten sich Gerüchte um den Gesundheitszustand von Kim Jong Un. Nach Einschätzung des südkoreanischen Geheimdienstes hat Nordkoreas Machthaber einen Teil seiner Machtbefugnisse an seine Schwester Kim Yo Jong und andere enge Vertraute abgetreten. Kim Yo Jong ist damit „De-facto-Führerin Nummer zwei“ in Pjöngjang. Wer ist Nordkoreas neue starke Frau?
Jung und selbstbewusst, freundlich lächelnd: Erhaben wirkte Kim Yo Jong in Südkorea, als sie elegant in Schwarz gekleidet Anfang 2018 als Mitglied einer offiziellen Delegation aus Nordkorea zu den Olympischen Winterspielen in Pjöngjang im Süden der koreanischen Halbinsel eintraf. Erstmals besuchte damals ein direktes Mitglied der Herrscherfamilie des abgeschotteten Nachbarlandes Südkorea. Die so still wirkende Kim, deren Alter in Südkorea auf 32 geschätzt wird, galt da schon seit einigen Jahren als einflussreiche Beraterin ihres um wenige Jahre älteren Bruders – des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un.

Oft blieb sie zwar nur im Hintergrund, wenn sie an der Seite des Bruders auftrat. Weil aber die familiäre Blutlinie in Nordkorea wichtiger als alles andere ist, hatte wohl schon früh niemand eine derart wichtige Stellung in Pjöngjang wie die Schwester des Diktators.
Als Vizechefin der Propagandaabteilung der Arbeiterpartei im stalinistischen Staat ist sie nicht nur für das Image ihres Bruders zuständig. Seit seiner Machtübernahme Ende 2011 „managte sie seine öffentlichen Auftritte, Reiserouten und logistischen Anforderungen“, wie die Experten des „North Korean Leadership Watch“ schreiben.
Heute gelangt der südkoreanische Geheimdienst zu der Einschätzung, dass Kim Yo Jong mittlerweile die „De-facto-Führerin Nummer zwei“ in Nordkorea sei. „Es gibt zahlreiche Belege, die nahelegen, dass die Erklärungen Kim Yo Jongs gleich behandelt werden wie die Kim Jong Uns“, schrieb die südkoreanische Zeitung „Hankyoreh“. Kim Jong Un habe einen Teil seiner Machtbefugnisse an enge Vertraute delegiert, seine Schwester sei nun für die Politik Pjöngjangs gegenüber Südkorea und den USA verantwortlich.

Was dies für Südkorea bedeutet, bekam Seoul bereits im März bei Kims erster öffentlicher Erklärung zu spüren. Mit wütenden Verbalattacken geißelte sie das „verängstigte Hundebellen“ des Südens, nachdem Seoul gegen nordkoreanische Raketentests protestiert hatte. Die Schwester erschien den Südkoreanern damals als ehrgeizige Funktionärin, die sich ihre Sporen durch hartes Auftreten verdienen muss.

Als Kim Jong Un im April dieses Jahres mal wieder ohne Erklärung für ein paar Wochen von der Bildfläche verschwunden war, schossen die Spekulationen im Ausland um seine Gesundheit und die mögliche Nachfolge wild ins Kraut. Im Mittelpunkt: Kim Yo Jong. Nicht ausgeschlossen wurde, dass die Schwester für die Nachfolge bereitstehe. Auch dass Yo Jong im August bereits zwei wichtige Sitzungen des Politbüros versäumte, lässt Nordkorea-Experte Martin Weiser aufhorchen: „Sie könnte sich auf einen anderen Posten vorbereiten, der eine Schulung erfordert. In jedem Fall deutet dies auf eine große bevorstehende Verschiebung hin.“