Keine Ruhe in Brasilien: Protest gegen die Präsidentenwahl radikalisiert sich
Anhänger des amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro wollen seine Wahlniederlage auch nach einem Monat nicht hinnehmen

Die beiden Männer saßen an einer Bar, als Polizisten hineinstürmten und sie festnahmen. Sie sollen Lastwagen und einen Krankenwagen mit Molotowcocktails in Brand gesetzt haben. Sie kamen in Untersuchungshaft. Der Haftrichter sagte, das Motiv der Männer sei offenbar „Unzufriedenheit mit dem Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahl“ gewesen und ihr Ziel eine „undemokratische Aufhebung“ des Ergebnisses.
Das spielte sich kürzlich im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso ab, und es ist kein Einzelfall. Hier haben Anhänger des noch amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro, die seine knappe Niederlage bei der Stichwahl am 30. Oktober nicht akzeptieren wollen, über Wochen hinweg Straßen blockiert und vor Militärgebäuden kampiert. Sie protestieren auch in anderen Bundesstaaten und verlangen einen Militärputsch.

Agrarindustrielle Brasiliens sollen den Protest gegen das Wahlergebnis unterstützen
Waren die meisten Demos bislang friedlich, sind die Behörden jetzt zunehmend über Taktiken des harten Kerns der Bolsonaro-Unterstützer besorgt. José Antônio Borges, leitender Staatsanwalt in Mato Grosso, verglich ihre Aktionen mit denen von Guerilleros und Terroristen. Borges zufolge sind Personen aus der Agrarindustrie in die Proteste involviert, viele von ihnen unterstützen Bolsonaros Vorstöße zur „Erschließung“ des Amazonas-Regenwaldes und seine Freigabe von zuvor verbotenen Pestiziden. Grillfeste mit Gratis-Essen und mobile Klos bei manchen Demos sowie Berichte über freien Bustransport dort hin haben Untersuchungen zur Finanzierung ausgelöst. Das höchste Gericht des Landes hat deshalb mindestens 43 Bankkonten von Personen oder Firmen eingefroren.
Bolsonaro aber schweigt meist. Seit der Wahl hat er sich nur zwei Mal an die Nation gewandt, um zu sagen, dass die Proteste berechtigt seien und zu einer Fortsetzung zu ermuntern, solange die Aktionen niemanden behinderten. Von gewaltsamen Aktionen seiner Anhänger hat er sich nicht distanziert.

Angriffe auf Lastwagen, deren Eigentümer den künftigen Präsidenten Brasiliens unterstützt
Mato Grosso, Brasiliens Hochburg des Soja-Anbaues, zählt zu den Brennpunkten der Unruhen. Hauptziele sind Staatsanwalt Borges zufolge Soja-Lastwagen eines Magnaten, der seine Unterstützung für den gewählten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva erklärt hatte.
Es gab auch Berichte über gewaltsame Aktionen in vier anderen Bundesstaaten. In einem haben Protestierende bei Blockaden „terroristische“ Methoden und Mittel wie selbstgebastelte Bomben, Feuerwerkskörper, Nägel, Steine und Barrikaden aus brennenden Reifen angewendet, meldet die Polizei. jetzt fänden die meisten Aktionen des Widerstandes nachts statt, ausgeführt von „extrem gewalttätigen und koordinierten vermummten Männern“ zur selben Zeit in verschiedenen Regionen des Bundesstaates.
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In Mato Grosso sei „die Lage sehr kritisch“, sagte Borges. So hätten Protestierende in Sinop, der zweitbevölkerungsreichsten Stadt des Bundesstaates, Läden und Unternehmen aufgefordert, zur Unterstützung der Bolsonaro-Anhänger geschlossen zu bleiben. Wer dem nicht folge, sei Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt.
Brasiliens Noch-Präsident Bolsonaro kann angeblich keine Hosen tragen
Derweil lässt sich Bolsonaro nicht blicken. Schritte zur Übertragung der Amtsgeschäfte an Lula da Silva erledigt sein Stabschefs, während Vizepräsident Hamilton Mourão offizielle Aufgaben übernimmt. Der erklärte Bolsonaros Abwesenheit mit einer Hautinfektion an den Beinen, die den Präsidenten hindere, Hosen zu tragen.
Aber auch auf Bolsonaros Social-Media-Konten herrscht Funkstille. Demonstranten sind sich deshalb, dass sie seine stillschweigende Unterstützung haben.
