Aus Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung geht hervor, dass der erste Kanzler der Bundesrepublik (Konrad Adenauer, Mitte, hier auf dem CDU-Gründungsparteitag mit Friedrich Holzapfel, links, und Jakob Kaiser) die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten ausspionieren ließ.
Aus Akten der Konrad-Adenauer-Stiftung geht hervor, dass der erste Kanzler der Bundesrepublik (Konrad Adenauer, Mitte, hier auf dem CDU-Gründungsparteitag mit Friedrich Holzapfel, links, und Jakob Kaiser) die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten ausspionieren ließ. dpa

Die SPD ist empört: Wie jetzt herauskam, hatte der frühere Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) die gesamte sozialdemokratische Parteispitze jahrelang Bespitzeln lassen. „Es ist ein ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispielloser Vorgang, dass der erste demokratische Bundeskanzler seine Macht systematisch unter Missachtung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ausbaute und festigte“, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert der Süddeutschen Zeitung (SZ).

Zeitung deckt „deutsches Watergate“ auf

Die SZ hatte am Freitag von dem „deutschen Watergate“ berichtet. Die Aufdeckung dieses „skrupellosen Machtmissbrauchs lässt Teile unserer bundesrepublikanischen Geschichte in einem gänzlich anderen Licht erscheinen“, sagte Kühnert dazu und forderte die Union zu „einer kritischen Aufarbeitung“ auf. Dabei müsse auch Adenauers Lebenswerk „in Anbetracht seines Missbrauchs des Auslandsgeheimdienstes neu eingeordnet werden“.

Lesen Sie auch: Nach Meuthens Parteiaustritt: Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach tritt in AfD ein >>

Kühnert sagte weiter, die CDU müsse anerkennen, „dass die Geschichte ihres prägendsten Vorsitzenden und somit auch die eigene Parteigeschichte mehr als ein Jahrzehnt lang auf systematischer Bespitzelung des politischen Gegners, insbesondere der SPD, beruhte“. Der SPD-Generalsekretär nannte es schwer erträglich, dass es mehr als 60 Jahre gebraucht habe, um diesen Skandal aufzuklären.

Adenauers Kanzleramtschef war zuvor NS-Ministerialrat

Die Enthüllungen gehen auf die Auswertung von Akten der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung durch den Historiker Klaus-Dietmar Henke hervor. Demnach ließ Adenauer die SPD fast zehn Jahre lang mithilfe zweier Informanten ausspähen, von denen einer, Siegfried Ortloff, in der Parteispitze der Sozialdemokraten arbeitete.

Lesen Sie auch: Skandal-Tweet: Berliner CDU-Mann provoziert Grünen-Chef mit „Allahu Akbar!“ >>

Fast 500 Berichte aus dem SPD-Parteivorstand seien damals in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt. Ortloff habe dabei mit Siegfried Ziegler zusammengearbeitet, einem Mitglied der Organisation Gehlen, der Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BND). Im Kanzleramt habe dessen damaliger Chef Hans Globke die Berichte entgegengenommen, der in der NS-Zeit als Ministerialrat im Reichsinnenministerium tätig war. Adenauer war von 1949 bis 1963 erster deutscher Bundeskanzler.