Kamala Harris will antreten

Joe Biden tritt von der Kandidatur um das Amt des US-Präsidenten zurück

US-Präsident Joe Biden (81) will sich nicht um eine weitere Amtszeit bewerben. Er schlägt Kamala Harris als Ersatzkandidatin vor - und die nimmt an.

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Seine Zeit läuft ab, ihre beginnt: Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris auf dem Balkon des Weißen Hauses am 4. Juli.
Seine Zeit läuft ab, ihre beginnt: Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris auf dem Balkon des Weißen Hauses am 4. Juli.Evan Vucci/AP/dpa

US-Präsident Joe Biden (81) will bei der Wahl im November nicht länger für eine zweite Amtszeit antreten. Der Demokrat verkündete über die sozialen Medien Instagram, Facebook und X (früher Twitter) seinen Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen. In den vergangenen Wochen war der 81-Jährige wegen seines Alters und seines mentalen Zustandes in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten. Auch prominente Demokraten wie Nancy Pelosi und Ex-Präsident Barack Obama hatten seinen Rückzug gefordert. Biden schlug auf X seine Vize Kamala Harris (59) als Ersatzkandidatin vor. Die erklärte am Sonntagabend, sie wolle US-Präsidentschaftskandidatin der Demokraten werden und „alles in ihrer Macht Stehende tun, um Trump zu schlagen“.

Biden schrieb auf X: „Meine lieben Demokraten, ich habe beschlossen, die Nominierung nicht anzunehmen und mich für den Rest meiner Amtszeit ganz auf meine Pflichten als Präsident zu konzentrieren. Meine allererste Entscheidung als Kandidat der Partei im Jahr 2020 war es, Kamala Harris als meine Vizepräsidentin zu wählen. Und das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe. Heute möchte ich meine volle Unterstützung und Befürwortung für Kamala als Kandidatin unserer Partei in diesem Jahr anbieten. Demokraten - es ist an der Zeit, zusammenzukommen und Trump zu schlagen. Lasst uns das tun.“

„Obwohl es meine Absicht war, mich um eine Wiederwahl zu bemühen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich mich zurückziehe und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere“, schrieb der Demokrat in einer schriftlichen Erklärung, die er ebenfalls auf X postete, „Ich werde im Laufe dieser Woche vor der Nation ausführlicher über meine Entscheidung sprechen".

Bidens Rückzug kurz vor der Wahl – und Harris Zusage

Bidens Rückzug kurz vor der Wahl ist eine dramatische Wende und verursacht weiteres Chaos in einem ohnehin historischen US-Wahljahr. Nach seinem Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen rief Biden zu Spenden für den Wahlkampf seiner Stellvertreterin Kamala Harris auf. Harris erklärte am Sonntagabend, sie wolle Ersatzkandidatin der Demokratischen Partei werden. „Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen“, teilte Harris in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

Biden war nach einem desaströsen Auftritt bei einem Fernsehduell gegen Ex-Präsident Trump Ende Juni extrem in die Kritik geraten. Während des Schlagabtauschs verhaspelte sich der mächtigste Mann der Welt regelmäßig, verlor den Faden, starrte mit offenem Mund ins Leere und konnte häufig seine Sätze nicht richtig beenden. Schon vorher hatte es innerhalb der Demokratischen Partei und in der Bevölkerung wegen Bidens Alter Vorbehalte gegen seine Wiederwahlambitionen gegeben. Doch nach dem Duell entflammte die Debatte über die Eignung des Bidens als Präsidentschaftskandidat der Demokraten in ganz neuem Ausmaß - und in aller Öffentlichkeit.

Nach der Debatte hatten sich Bidens Umfragewerte noch mal deutlich verschlechtert. Und in seiner eigenen Partei wagten sich einer nach dem anderen vor, um öffentlich Bidens Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft zu fordern. Der Präsident selbst versuchte zunächst, sich herauszureden. Seinen schwachen Auftritt begründete er mit Müdigkeit in Folge anstrengender Auslandsreisen. Er habe nicht aus seine Berater gehört und sich übernommen. Bei diversen Auftritten gab er sich trotzig und versicherte ein ums andere Mal, er werde sich nicht zurückziehen. Doch es folgten weitere Patzer. Und am Ende wurde der Druck aus den eigenen Reihen zu groß.

Biden hatte sich in den letzten Tagen in seinem Privathaus in Delaware isoliert

In den vergangenen Tagen hatte sich Biden nach einer Infektion mit dem Coronavirus in sein Privathaus in Rehoboth Delaware zurückgezogen und keine öffentlichen Termine absolviert. Während seiner Zwangspause fasste er nun den Entschluss, sich dem Druck seiner Parteikollegen zu beugen.

Die Demokraten müssen nun in kürzester Zeit umsatteln und Bidens Nachfolge regeln. Als Ersatzkandidatin rückte in den vergangenen Wochen mehr und mehr Bidens Stellvertreterin Kamala Harris in den Fokus. Die 59-Jährige war in ihrem Vizepräsidentenamt an der Seite Bidens bislang blass geblieben und hatte schlechte Umfragewerte, bekam zuletzt allerdings die Unterstützung einer ganzen Reihe wichtiger Parteimitglieder der Demokraten. Biden selbst lobte Harris in den vergangenen Tagen öffentlich auffällig offensiv.

Neben Harris fielen am häufigsten die Namen Gavin Newsom und Gretchen Whitmer. Newsom (56) ist Gouverneur des mächtigen Bundesstaates Kalifornien. Er hat sich national einen Namen gemacht und intensiv an seinem Profil gearbeitet, zuletzt unter anderem mit viel beachteten Auslandsreisen. Whitmer (52) ist Gouverneurin von Michigan und gilt seit Längerem als aufstrebende Kraft in der Partei. Vor der Wahl 2020 hatte Biden sie als seine Vize in Erwägung gezogen. US-Medien zufolge sollen beide intern klargemacht haben, dass sie als mögliche Vize für Harris nicht zur Verfügung stehen. Die Demokraten nominieren ihren Präsidentschaftskandidaten offiziell bei einem Parteitag in Chicago Mitte August. Die Zeit wird also knapp.

Biden hatte immer wieder behauptet, er könne als einziger Trump schlagen

Die Republikaner haben ihren Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bereits bei einem Nominierungsparteitag in Milwaukee gekürt. Zuvor war auf Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung der Republikaner in Butler (Pennsylvania) geschossen worden. Biden hatte bis zuletzt immer wieder behauptet, er sei der einzige, der Trump schlagen könne.

Schon vor dieser größtmöglichen Komplikation war dieses US-Wahljahr eines, das auf allen Ebenen heraussticht, vor allem mit Blick auf den republikanischen Kandidaten. Mit Trump bewirbt sich ein verurteilter Straftäter um das höchste Amt im Staat. Als erster Ex-Präsident der Vereinigten Staaten wurde der Republikaner in einem Strafverfahren schuldig gesprochen - wegen der Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin. Im Wahlkampf hat das dem 78-Jährigen bislang nicht geschadet. Es laufen noch andere Strafverfahren gegen ihn - allerdings dürfte es vor dem Wahltag in diesen Fällen nicht mehr zum Prozess kommen.

So reagiert Trump auf Bidens Rückzug

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat auf den Rückzug von Biden aus dem Rennen um das Weiße Haus mit Anschuldigungen gegen den Demokraten reagiert. „Der korrupte Joe Biden war nicht in der Lage, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, und er ist sicherlich nicht in der Lage, das Amt zu bekleiden - und war es auch nie!“, schrieb der Ex-Präsident auf seiner Online-Plattform „Truth Social“. Er warf Biden vor, „nur durch Lügen, Fake News und indem er seinen Keller nicht verließ“ das Amt des Präsidenten erlangt zu haben. Trump beschuldigte außerdem Menschen, die Biden nahestehen sowie dessen Arzt und die Medien, gewusst zu haben, dass Biden „das Präsidentschaftsamt nicht ausüben kann“.

Vorsitzende des Repräsentantenhauses fordert, dass Biden das Präsidenten-Amt sofort niederlegen soll

Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, fordert Joe Biden nach dessen Rückzug aus dem US-Präsidentschaftsrennen dazu auf, unverzüglich sein Amt niederzulegen. „Wenn Joe Biden nicht in der Lage ist, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, dann ist er auch nicht in der Lage, das Amt des Präsidenten auszuüben“, schrieb Johnson auf der Plattform X. „Er muss sofort von seinem Amt zurücktreten.“

Johnson bezeichnete Bidens Rückzug als beispiellosen Zeitpunkt in der amerikanischen Geschichte. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, was gerade passiert ist“, schrieb der Republikaner. „Die Demokratische Partei hat ihren Kandidaten etwas mehr als 100 Tage vor der Wahl vom Wahlzettel gestrichen.“ Die gegnerische Partei habe damit „die Stimmen von mehr als 14 Millionen Amerikanern für ungültig erklärt“, die in den parteiinternen Vorwahlen der Demokraten für Biden gestimmt hätten. Damit habe die „selbst ernannte ‚Partei der Demokratie‘ genau das Gegenteil bewiesen“.

Obama lobt Bidens Rückzug - und erwähnt Harris nicht

Der frühere US-Präsident Barack Obama hat den Rückzug von US-Präsident Joe Biden aus dem Präsidentschaftsrennen gelobt - sich aber nicht öffentlich hinter US-Vize Kamala Harris als Ersatzkandidatin gestellt. „In den kommenden Tagen werden wir uns auf unbekanntem Terrain bewegen. „Aber ich bin außerordentlich zuversichtlich, dass die Anführer unserer Partei in der Lage sein werden, einen Prozess in Gang zu setzen, aus dem ein herausragender Kandidat hervorgeht“, schrieb Obama. Biden hatte Kamala als Ersatzkandidatin vorgeschlagen.

Der Rückzug aus dem Rennen sei sicherlich eine der schwierigsten Entscheidungen in Bidens ganzem Leben gewesen, teilte Obama weiter mit. „Aber ich weiß, dass er diese Entscheidung nicht treffen würde, wenn er nicht glauben würde, dass sie für Amerika richtig ist.“ Biden habe „wieder einmal die Interessen des amerikanischen Volkes über seine eigenen stellt“. Er habe aufgrund seiner „herausragende Erfolgsbilanz“ jedes Recht gehabt, zur Wiederwahl anzutreten. Die Entscheidung Bidens zum Rückzug zeige dessen Liebe zu seinem Land hieß, weiter. Biden sei ein „Patriot von höchstem Rang“.

So reagiert Moskau auf Bidens Rückzug – und so Berlin

Der Kreml will die Lage in den USA nach eigenen Angaben „genau beobachten“. Kremlsprecher Dmitri Peskow erinnerte daran, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Joe Biden als berechenbaren Kandidaten eingestuft habe, der für Russland vorzuziehen sei. Aber: „Die Wahl ist noch vier Monate entfernt, und das ist eine lange Zeit, in der sich viel ändern kann.“ sagte Peskow. „Wir müssen geduldig sein und genau beobachten, was als Nächstes passiert.“ Priorität für Russland habe, die Ziele des Kriegs gegen die Ukraine zu erreichen.

Der Verzicht von Joe Biden auf eine weitere Präsidentschaftskandidatur in den USA verdient nach Ansicht von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Respekt. „Mein Freund @POTUS Joe Biden hat viel erreicht: für sein Land, für Europa, die Welt, schrieb Scholz auf der Plattform X. „Dank ihm ist die transatlantische Zusammenarbeit eng, die NATO stark, die USA ein guter und verlässlicher Partner für uns. Sein Entschluss, nicht noch einmal zu kandidieren, verdient Anerkennung.“ ■