Die „Mütter von Tian‘anmen“ wollen Gerechtigkeit
Vor drei Jahrzehnten starben Hunderte bei dem Militäreinsatz gegen friedliche Demonstranten in Peking. Chinas Führung hüllt das Massaker in Schweigen. Viele Hongkonger wollen aber der Opfer gedenken.

Sie fordern die chinesische Führung auf, ihr Schweigen zu brechen, die Archive zu öffnen und die Ereignisse zu erklären, die zum Tod ihrer Angehörigen führten: Am Jahrestag der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 haben die „Mütter von Tian‘anmen“ in einem offenen Brief eine gerechte Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der chinesischen Geschichte gefordert.

Bei dem Einsatz der Volksbefreiungsarmee gegen friedliche Demonstranten um den Platz des Himmlischen Friedens (Tian‘anmen) in Peking sind einige hundert Menschen ums Leben gekommen. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt. Tausende wurden verletzt und inhaftiert. Auch 31 Jahre später ist das Thema in China ein Tabu. Angesichts der Drohung von US-Präsident Donald Trump, das Militär bei den Protesten in den USA einzusetzen, erinnerten Beobachter an die fatalen Folgen des damaligen Militäreinsatzes in China.
Kerzenandacht in Hongkong trotz Verbots
Während ein öffentliches Gedenken an die Opfer in China schon immer untersagt war, verbot die Polizei in Hongkong erstmals seit drei Jahrzehnten die jährliche Kerzenandacht in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Als Grund wurde das Verbot von Versammlungen von mehr als acht Personen wegen der Corona-Pandemie genannt. Doch vermuteten Kritiker auch politische Motive. Aktivisten planten dennoch verschiedene Aktionen über Hongkong verteilt.

Zehntausende Hongkonger, die sich normalerweise zum Jahrestag im Victoria-Park versammelt hätten, wurden aufgefordert, stattdessen an anderen Stellen der Wirtschaftsmetropole Kerzen für die Opfer des Massakers zu entzünden. „Wir hatten schon länger das Gefühl, dass wir bald nicht mehr an einem solchen Ereignis teilnehmen können - so wie in Festlandchina“, sagte Organisator Richard Tsoi.

Die Atmosphäre ist wegen zunehmender Eingriffe der Pekinger Führung in die Autonomie der Sonderverwaltungsregion aufgeheizt. Vor einer Woche beschloss Chinas Volkskongress, ein Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit für Hongkong zu erlassen. Es wird sich gegen Aktivitäten richten, die als subversiv oder separatistisch empfunden werden. Das Gesetz könnte schon diesen Monat in Kraft treten.
Mitglieder des losen Verbundes der „Tian'anmen-Mütter“ besuchten am Donnerstag gemeinsam Gräber auf dem Pekinger Wan‘an-Friedhof. Zhang Xianling, deren 19-jähriger Sohn damals ums Leben gekommen war, sagte Radio Free Asia, die chinesische Führung schulde ihnen Antworten: „Wer und welche Abteilungen der Regierung waren verantwortlich? Was waren die Umstände? Auf welcher Grundlage wurde die Entscheidung getroffen, solch mörderische Gewalttaten zu begehen?“ Welche Gesetze hätten ihre Kinder gebrochen, um niedergeschossen oder zu Tode geschlagen zu werden, fragte sie.