Die Geo Barents von Ärzte ohne Grenzen liegt im Hafen von Catania.
Die Geo Barents von Ärzte ohne Grenzen liegt im Hafen von Catania. Imago/Orietta Scardino

Italiens rechte Regierung bleibt hart. Nachdem vier zivile Seenotrettungsschiffe über viele Tage mit insgesamt fast 1000 Menschen an Bord über das Mittelmeer schipperten, wurden sie nun alle nacheinander in den Hafen von Catania auf Sizilien beordert. Doch dort geht für einige der Geretteten das Leid weiter, denn die Behörden selektieren, wer die Schiffe verlassen darf. Beobachter üben scharfe Kritik.

Italiens rechte Regierung rüstet gegen Flüchtlinge auf

Nur wenige Tage nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte hatte die Koalition aus der postfaschistischen Fratelli d'Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der rechtspopulistischen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und der rechtskonservativen Forza Italia von Silvio Berlusconi ein Dekret verabschiedet, dass es den Behörden möglich macht, nur die Schiffbrüchigen aufzunehmen, die das Land möchte und alle anderen in die Länder weiterzuschicken, unter deren Flagge das Schiff fährt. Im Falle der vier Seenotrettungsschiffe auf dem Mittelmeer wären das Deutschland und Norwegen.

Das erste Schiff, das in den Hafen von Catania einfahren durfte, war in der Nacht zum Sonntag die „Humanity 1“. Von den 179 Geretteten mussten 35 Menschen - allesamt erwachsen und männlich - an Bord des Schiffes bleiben. Ähnlich erging es der „Geo Barents“, die von der Organisation Ärzte ohne Grenzen betrieben wird. Von572 Menschen durften nur 357 Geflüchtete von Bord gehen, 215 mussten auf dem Schiff bleiben. In ihrer Verzweiflung sprangen drei Personen ins Meer, um an Land zu schwimmen.

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An Bord der "Geo Barents" halten Menschen Transparente hoch. Die italienischen Behörden lassen sie nicht an Land.
An Bord der "Geo Barents" halten Menschen Transparente hoch. Die italienischen Behörden lassen sie nicht an Land. AP/Salvatore Cavalli

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Während die „Ocean Viking“ mit 234 Geretteten an Bord noch immer keinen Hafen zugewiesen bekommen hat, wurde die von der Dresdner Organisation Mission Lifeline betriebene „Rise Above“ nun auch nach Catania beordert. Zuvor seien elf Aufforderungen, dem Schiff einen sicheren Hafen zuzuweisen, unbeantwortet geblieben. Am Dienstagvormittag verkündete die Organisation, dass alle 89 an Bord befindlichen Geflüchteten an Land gelassen wurden. Zuvor seien bereits sechs Personen aufgrund ihres Gesundheitszustandes evakuiert worden. 

Seenotrettungs-Kapitän will Hafen von Catania nicht verlassen

Weiter problematisch ist die Situation auf der „Humanity 1“. Kapitän Joachim Ebeling weigert sich weiterhin, den Hafen von Catania mit den 35 verbliebenen Geretteten an Bord wieder zu verlassen. „Was wir hier gerade erleben, löst in mir keine Zweifel aus, so was nochmal zu machen“, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. „Es bestätigt mich darin, dass wir hier das Richtige tun.“ Er sei wütend, dass „geltendes Recht mit Füßen getreten“ werde. Bei ihm seien Menschen an Bord, die das Recht haben, an Land zu gehen, doch die Behörden würden das verhindern.

Beobachter und Experten bewerten die Blockadehaltung der italienischen Behörden als illegalen Pushback. Darunter versteht man staatliche Maßnahmen, „bei denen flüchtende und migrierende Menschen – meist unmittelbar nach Grenzübertritt – zurückgeschoben werden, ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen oder deren Rechtmäßigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen“. Laut dem European Center for Constitutional and Human Rights verstoße diese Praxis gegen das Verbot von Kollektivausweisungen verstoßen, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist.

Erik Marquardt: Italiens Regierung greift den Rechtsstaat an

„Die neue italienische Regierung greift frontal den eigenen Rechtsstaat an“, erklärte der Grüne Europa-Abgeordnete Erik Marquardt gegenüber dem Berliner KURIER. „Keine Regierung darf über dem Gesetz stehen. Diese Menschen wurden aus Seenot gerettet. Jetzt werden sie entwürdigt und entrechtet. Das ist eine Schande für Europa. Wer in Europa bleiben darf und wer nicht, entscheidet ein rechtsstaatliches Asylverfahren und nicht die Launen von italienischen Rechtspopulisten.“

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Auch die Vereinten Nationen riefen dazu auf, alle Migranten auf den Rettungsschiffen umgehend an Land zu lassen. Zudem veröffentlichte mehrere Menschenrechtsorganisationen um Human Rights Watch einen „dringenden Appell“ an Italien, Malta und die EU, das „Leid“ der auf den vier Rettungsschiffen festsitzenden Menschen zu beenden.