Freie Stellen im Handwerk ohne Ende
Ist so schwer, ist so schmutzig ... Wie jungen Frauen zukunftssichere Jobs vermiest werden
Das Handwerk müht sich, die Personallücken mit jungen Frauen zu füllen. Der Erfolg hält sich bislang in Grenzen

Der Handwerkermangel in Deutschland hat 2022 ein neues Rekord-Niveau erreicht. Es gab durchschnittlich 236.818 offene Stellen in überwiegend handwerklichen Berufen. So viele wie noch nie seit Beginn des Beobachtungszeitraums 2010, berichtete das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Dem standen nur 121.993 Arbeitslose in diesen Bereichen gegenüber. Selbst wenn alle arbeitslosen Handwerker auf eine passende Stelle vermittelt worden wären, hätte über die Hälfte der offenen Stellen nicht besetzt werden können.
Lesen Sie auch: Wo die Liebe hinfällt ... >>>
Es könnte helfen, wenn mehr Frauen in die Handwerksberufe einscherten. Zum Beispiel in den Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK), der besonders unter dem Mangel an Arbeitskräften leidet. Nur ein geringer Anteil der Auszubildenden war laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im vergangenen Jahr weiblich. Das merkt auch Antonella Menrath (24). „Ich bin die Einzige bei uns in der Klasse“, erzählt sie, die seit 2021 eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin im SHK-Handwerk bei Heidelberg macht.
Meistgelesen
Rezept des Tages
Geniales Rezept für Kartoffelsuppe: So deftig, fein und lecker
Verkehrsvorschau
Achtung, Berlin: Am Freitag sind SECHS S-Bahnen unterbrochen!
Sie war verschwunden
War es Mord? Leiche von vermisster Marie Sophie (14) gefunden
Blick in die Sterne
Horoskop für heute: Freitag, 29. September 2023 – für alle Sternzeichen
Laut Kofa gab es 2022 im SHK-Bereich bundesweit durchschnittlich 16.787 offene Stellen für Gesellen und 1952 für Meister. Acht von zehn dieser Stellen hätten aber rechnerisch nicht besetzt werden können, weil es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gegeben habe. Dabei sei der Bedarf an SHK-Fachkräften in den vergangenen Jahren – insbesondere durch die klimapolitischen Ziele – deutlich gestiegen.
Besonderer Personalmangel bei reinen Männer- oder reinen Frauenberufen
Genug Raum also für Frauen, die sich für diese Berufe entscheiden. Wie aber können mehr junge Frauen für dieses Handwerk begeistert werden? In der Forschung sehe man, dass geschlechtstypische Berufe, also Berufe, die entweder überwiegend von Frauen oder überwiegend von Männern ausgeübt werden, häufiger vom Fachkräftemangel betroffen seien, sagt Lydia Malin, Wissenschaftlerin am Kofa.
Dies sei zwar nicht unbedingt kausal zu erklären, weil die Ursachen für den Mangel unterschiedlich seien. Fakt sei aber auch, dass diese Berufe nur von einer zahlenmäßig kleineren Gruppe in Erwägung gezogen würden.
Es wäre der Wissenschaftlerin zufolge wünschenswert, dass alle klischeefrei den Beruf ergreifen können, der zu den eigenen Fähigkeiten und Neigungen passe. Dazu seien mehr Frauen nötig, die zeigen, dass man auch im Handwerk glücklich werden kann: „Davon brauchen wir einfach so viele wie möglich.“
Denn junge Frauen bräuchten wie Männer Rollenvorbilder. Wenn ein Mädchen auf einer Baustelle immer nur Männer sehe, komme es gar nicht auf die Idee, dass das ein Job wäre, der zum eigenen Geschlecht passt.

Handwerk kommt weiblicher Kreativität entgegen
Dabei entsprächen viele Berufe im Handwerk genau dem, was viele Frauen sich ohnehin wünschten: In der Tendenz arbeiteten Frauen häufig gerne kreativ und schätzten den Kundenkontakt. Beides Dinge, die auch im Handwerk gefragt seien. Genauso seien Stabilität und Jobsicherheit Dinge, die Frauen bevorzugen würden. „Und ich glaube, es gibt nirgendwo sicherere Jobs als im Handwerk“, sagt Malin.
Dass das SHK-Handwerk eine Branche ist, in dem sich auch Frauen zu Hause fühlen können, zeigt Antonella Menrath seit gut einem Jahr auf Instagram. Es gehe ihr dabei nicht in erster Linie um die Fotos und Videos, sondern vor allem um den Austausch mit anderen.
Viele schrieben ihr dort per Direktnachricht und sie habe schon Frauen dazu inspirieren können, den gleichen Weg einzuschlagen. Sie selbst studierte zunächst Lehramt und entschied sich erst nach Abschluss des Bachelors für die Ausbildung.
Eltern bringen junge Frauen von einer Handwerksausbildung ab
Aus Sicht von Joachim Butz vom Vorstand des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) seien häufig die Eltern der „Bremsklotz“. Die sagten oft: „Da wirst du ja schmutzig“ oder „Das ist zu schwer für dich“. Deshalb sei es wichtig, auch die Eltern mitzunehmen.
Das Argument, der Beruf sei für Frauen körperlich zu anstrengend, kann Butz entkräften: „Insgesamt ist die körperliche Belastung in unserem Handwerk in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.“ Denn heute gebe es entsprechende Hilfsmittel.
Um dem erhöhten Fachkräftebedarf insgesamt zu begegnen, verstärke der Verband seine Nachwuchswerbung. Außerdem sei es wichtig, dass junge Menschen Praktika machten, da sich viele – nachdem sie einmal in den Beruf hinein geschnuppert hätten – tatsächlich für die Ausbildung entschieden.