Abertausende sind auf der Flucht
Terror in Mosambik: Islamisten richten Blutbad unter Zivilisten an
Im Norden des ostafrikanischen Staates überrannte eine Terrorgruppe eine Stadt, Abertausende sind auf der Flucht

Das Gemetzel in der nord-mosambikanischen Küstenstadt Palma muss fürchterlich gewesen sein. Von enthaupteten Leichen in den Straßen berichteten Anwohner der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Dutzende Zivilisten und Militärs sollen von angeblich hundert islamistischen Terroristen getötet worden sein.
Rund um die seit einer Woche umkämpfte Stadt nahe der Grenze zu Tansania bergen Retter immer mehr Menschen aus dem dichten Busch. „Viele legen Steine zu großen SOS-Zeichen zusammen, damit wir sie aus der Luft erkennen“, berichtete Max Dyck. Der Südafrikaner und die von ihm geführte Sicherheitsfirma Dyck Advisory Group (DAG) ist mit insgesamt fünf Helikoptern im Einsatz.
Nachdem viele ausländische Kontraktarbeiter von einem nahegelegenen Erdgasprojekt in Sicherheit gebracht worden waren, sind es nun vor allem einheimische Flüchtlinge, die in sichere Gebiete weiter südlich transportiert werden.
Baby mit Schusswunde
Unterdessen werden immer mehr Details über das brutale Vorgehen der Angreifer bekannt. Die mit Helfern in der Region tätige Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ berichtet von „herzzerreißenden Situationen“ bei der Versorgung der Geflohenen. „Wir haben ein Baby mit einer Schusswunde versorgt. Auch schwangere Frauen kommen in schrecklichem Zustand – eine Frau, die anscheinend im siebten Monat schwanger war, hatte starke Blutungen und ihr Baby war bereits gestorben“, berichtete die Leiterin der Nothilfeabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Mosambik, Sylvie Kaczmarczyk.
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„Die Kämpfe gehen unvermindert weiter - wir selbst sind auch wiederholt unter starken Beschuss geraten“, sagte Dyck, der wie eine südafrikanische Expertin von einem sehr gut vorbereiteten und durchgeführten Angriff spricht. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hatte erklärt, ihre Kämpfer hätten die Kontrolle über die Stadt übernommen und mehr als 55 mosambikanische Sicherheitskräfte getötet.

Das UN-Nothilfebüro Ocha warnte, dass der Konflikt die ohnehin schon angespannte Lage in einer Region erschwere, wo mehr als 1,3 Millionen Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Ebenso wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) äußerte sich die UN-Behörde extrem besorgt über die Instabilität und Gewalt in Palma. Die Hilfsorganisation Save the Children berichtete von traumatisierten Minderjährigen. „Kinder haben Szenen von unvorstellbarem und unsagbarem Horror erlebt“, erklärte Landesdirektor Chance Briggs. Kinder hätten zusehen müssen, wie ihre Verwandten umgebracht wurden
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef versorgte solche Kinder, die zum Regionalflughafen Pemba ausgeflogen wurden. „Ein etwa fünfjähriges verletztes Mädchen wurde schreiend vor Schmerz aus dem Flieger getragen - wir können sein Alter nicht bestimmen, da es vor lauter Trauma nur seinen Vornamen nennen konnte“, berichtete Unicef-Sprecherin Marixie Mercado. Eine 13-Jährige werde wegen einer Schusswunde operiert. „Wir haben bereits erfahren, dass weitere Kinder kommen werden - wie viele, wissen wir nicht.“
Islamisten-Terror seit 2017
In Cabo Delgado verüben islamistische Rebellen seit 2017 brutale Angriffe. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk hat die Gewalt mehr als 700.000 Menschen vertrieben. Die Rebellion hat Experten zufolge ihre Wurzeln in den Missständen und Klagen der Bewohner der Region, die sehr arm ist und jahrelang von der Regierung vernachlässigt wurde.
Die USA sagten der Regierung in Maputo Unterstützung im Kampf gegen die Extremisten zu. Bisher erstreckt sie sich jedoch in erster Linie auf einige wenige Berater. Die US-Regierung bezeichnet die Terror-Organisation als IS-Mosambik, nennt aber auch die Namen Ansar Al-Sunna und Al-Shabaab. Sie habe sich 2018 zum IS bekannt und unter Führung des zuvor unbekannten Milizenchefs Abu Yasir Hassan Hunderte Zivilisten in der Provinz Cabo Delgado getötet.

Der Konflikt drohe von Mosambik auch auf Nachbarländer überzugreifen, hatte Human Rights Watch bereits zum Jahresbeginn gewarnt. Doch bisher sah der regionale Staatenbund SADC eher tatenlos zu.
Die jüngste Attacke gilt zudem als Schlag ins Gesicht der mozambikanischen Regierung in Maputo, die zuvor dem französischen Energiekonzern Total die Sicherung einer der größten Einzelinvestitionen in Afrika zugesichert hatte. Palma liegt in direkter Nähe der Halbinsel Afungi, auf der Total an einem knapp 17 Milliarden Euro teuren Flüssiggasprojekt beteiligt ist. In die Einkünfte aus der Förderung setzt der Staat große Hoffnung für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten.
Wegen der Sicherheitslage in der Provinz hatte Total allerdings im Januar die Anzahl seiner Mitarbeiter reduziert. Nur wenige Stunden vor der Attacke hatte der Konzern noch bekanntgegeben, dass er wieder seine Kapazitäten hochfahren werde. Das ist jetzt Vergangenheit: In einer verzweifelten Bergungsaktion mit allen möglichen verfügbaren Schiffen über den Indischen Ozean und den Hubschraubern wurden knapp 1000 Mitarbeiter ins südlich gelegene Pemba gebracht.
Liefert Iran die Waffen?
Offizielle Angaben zu dem blutigen Geschehen an der Grenze zu Tansania sind rar. Auch zu Aktivitäten einer südafrikanischen Söldnertruppe, die laut Medienberichten im Auftrag der Regierung mit veralteten französischen Alouette-Helikoptern die Lage stabilisieren soll, dringen kaum Informationen durch. Zuvor soll bereits eine russische Söldnertruppe vergeblich versucht haben, die Islamisten zurückzudrängen.
Unklar ist bisher auch noch, woher die Aufständischen ihre Waffen beschaffen. Ende 2019 gab es dazu immerhin erste Hinweise durch die Festnahme von rund einem Dutzend Iranern. An Bord ihres Schiffes wurden in der Bucht von Pemba Sturmgewehre, Pistolen, Munition sowie weitere Ausrüstungsgegenstände entdeckt.