Berichte über Frau, die bei der Moralpolizei starb

Irans Mullah-Regime stellt Reporterinnen vor Gericht

Die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi sind „Staatsfeindinnen“, weil sie über den Tod einer jungen Iranerin bei der islamischen Moralpolizei berichteten

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Die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi (r.) waren unter den Ersten, die über den Tod der Kurdin Amini berichteten, der eine massive Protestwelle im Iran auslöste. Jetzt gelten sie als Staatsfeindinnen und werden vor Gericht gestellt.
Die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi (r.) waren unter den Ersten, die über den Tod der Kurdin Amini berichteten, der eine massive Protestwelle im Iran auslöste. Jetzt gelten sie als Staatsfeindinnen und werden vor Gericht gestellt.ARCHIVBILD: Mehrdad Aladin/dpa

Ein Ehepaar umarmt sich im Flur eines Krankenhauses, eine Journalistin macht ein Foto davon. Und trägt mit dem Bild dazu bei, dass im Iran Mitte September 2022 eine Protestwelle losbricht, die der Mullah-Staat unter anderem mit hunderten Hinrichtungen zu bekämpfen sucht. Das Foto enthält eine explosive Botschaft: Es zeigt die Eltern der Kurdin Jina Mahsa Amini, als sie von ihrem Tod erfahren. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei gewaltsam festgenommen worden, weil ihr Kopftuch schlecht saß. Sie fiel ins Koma und starb. Die Journalistin Nilufar Hamedi (30) und ihre Kollegin Elaheh Mohammadi (36) sitzen seit September im Gefängnis und stehen seit Montag einem Blutrichter gegenübergestellt, weil sie berichtet hatten. 

Unzählige Frauen haben eigene Erfahrungen mit der berüchtigten Moralpolizei, doch selten kommen Details der Festnahmen ans Licht. Der Tod der jungen Kurdin trifft einen Nerv und bringt im Iran die schwersten Proteste seit Jahrzehnten ins Rollen. Neben Nilufar Hamedi berichtet Elaheh Mohammadi berichtet über Amini, reist in deren kurdische Heimatstadt Saghes und schreibt über die Beerdigung, zu der Menschenmassen strömen.

Bald wird deutlich, dass sich die Proteste wie ein Lauffeuer ausbreiten werden. Amini wird zur Protestikone.

Nur sechs Tage nach dem Tod durchsuchen Sicherheitskräfte die Wohnung der Journalistin Hamedi und verhaften sie. Mohammadi wird eine Woche später festgenommen. Angehörige hoffen vergeblich auf eine schnelle Freilassung.

Der Geheimdienst bezeichnet die Journalistinnen als „ausländische Agentinnen“ und wirft ihnen Propaganda gegen den Staat vor. Nun sollen die umstrittenen Prozesse beginnen.

Mehr als acht Monate sind die Journalistinnen bereits in Haft. Hamedi arbeitet für die beliebte Zeitung „Shargh“, die immer wieder auch kritische Beiträge veröffentlicht.  Mohammadi schreibt für die Zeitung „Hammihan“ bereits seit Jahren auch über Frauenrechte. Beide Medien weisen die Vorwürfe gegen ihre Mitarbeiterinnen vehement zurück.

In den Redaktionen im Land herrscht seit der Protestwelle ein bedrückendes Klima. „Die Stimmung ist einfach nur schlecht“, sagt eine Journalistin eines bekannten Medienunternehmens in Teheran, die lieber anonym bleiben möchte.

„Bloß nicht kritisch wirken “

Der Druck sei viel größer geworden. Mitteilungen der Ministerien bringen die Journalistinnen meist ohne große Änderungen heraus. Eigene Berichte werden akribisch geprüft, „um bloß nicht kritisch zu wirken“. Auf ihren Job ist die Frau Anfang 40 angewiesen. Hinschmeißen kann und will sie nicht.

Eine frühere Journalistin hat ihrer Branche hingegen den Rücken gekehrt. Angesichts der zunehmenden Beschränkung der Pressefreiheit trauert die Frau, die auch unerkannt bleiben will, ihrem früheren Job nicht hinterher. Viel besser seien die Zeiten früherer Präsidenten gewesen, als noch das Lager der Reformpolitiker an der Regierung war. Einen Sturz des Systems wolle sie nicht. Es müsse ein Journalismus möglich sein, der Veränderungen anstößt, sagt die 52-Jährige.

Als ehrgeizig und talentiert beschreibt sie ihre Kollegin Nilufar, die kritisch hingeschaut habe. Die Vorwürfe der Spionage hält sie für konstruiert, das Vorgehen des Sicherheitsapparats für bitter. „Damit wird eine talentierte Generation verbrannt“, sagte die Frau an einem Nachmittag in Teheran.

Wie vehement der iranische gegen Medienschaffende während der Proteste vorgegangen ist, zeigt ein Blick auf Daten des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) in New York. Fast 100 Medienvertreter werden festgenommen, ein Großteil von ihnen ist allerdings inzwischen wieder auf Kaution frei. Auch Familienangehörige werden unter Druck gesetzt.

Prozess hinter verschlossenen Türen

Medienleute im ganzen Iran fordern nun, dass die Prozesse öffentlich verhandelt werden. Die Sorge ist groß, dass die Frauen hinter verschlossenen Türen harte Strafen erhalten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen berichtet, den Frauen hätten weder Kontakt zu ihren Anwälten noch dürften sie in die Anklageschrieft sehen.

Verhandelt wird das Verfahren vor einem berüchtigten Revolutionsgericht in Teheran, dessen Vorsitzender Richter Abolghassem Salawati für besonders harsche Urteile bekannt ist. Seit mehr als zehn Jahren ist der Mann von der EU mit Sanktionen belegt.

Im Rahmen der jüngsten Protestwelle hat Salawati mehrere Todesurteile gegen Demonstranten gesprochen.

Auch international bekommt der Fall der beiden Journalistinnen große Aufmerksamkeit. Während Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi im berüchtigten Ewin-Gefängnis sitzen, zeichnet die Unesco die Frauen für ihre mutige Berichterstattung Anfang Mai in Abwesenheit mit dem Pressefreiheitspreis der UN-Kulturorganisation aus. „Mehr denn je ist es wichtig, alle Journalistinnen zu würdigen, die an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden“, sagte die Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay in der Begründung.