Bundesverfassungsgericht
Hungerlöhne für Strafgefangene sind verfassungswidrig
Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Strafgefangene sind verfassungswidrig und gefährden die Resozialisierung, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Stundenlöhne von zwei Euro oder weniger für Gefangene sind verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht gab am Dienstag zwei Häftlingen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen Recht, die gegen die Höhe ihrer Vergütung geklagt hatten. Die Bundesländer müssen die jeweiligen Gesetze bis spätestens Ende Juni 2025 neu regeln, sagte die Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König. Die Länder seien aber nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen.
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Die 16 Bundesländer, die zum Stichtag 31. März 2022 fast 42.500 Menschen hinter Gittern hielten, regeln solche Fragen des Strafvollzugs selbst. In den meisten herrscht für Strafgefangene Arbeitspflicht. Sie soll der Resozialisierung dienen, so dass Gefangene schrittweise wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Deshalb gilt für die Betroffenen auch kein Mindestlohn. Sie verdienten den Angaben des Gerichts zufolge nach je nach Qualifikation zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro pro Stunde.
Wenn Arbeit der Resozialisierung dienen soll, muss ihr Lohn auch Anerkennung zeigen
Das Verfassungsgericht habe das Gebot der Resozialisierung unter Rückgriff auf die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip entwickelt, sagte König. Die Gesetzgeber müssten dafür ein schlüssiges und widerspruchsfreies Konzept entwickeln, was in den behandelten Fällen nicht vorlag.
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Wenn Arbeit als Behandlungsmaßnahme vorgesehen sei, müsse sie auch angemessene Anerkennung finden. König: „Diese braucht nicht allein in Geld gewährt zu werden“ Es könnte auch Zeit verdient werden, die für eine frühere Entlassung angespart werden.
Wie viel Bezahlung verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, hänge vor allem von den beabsichtigten Zwecken im Resozialisierungskonzept ab, sagte König. Diese müssten tatsächlich erreicht werden können. Denn das Gefühl, in ihrer Tätigkeit nicht genügend wertgeschätzt zu werden, könne sich negativ auf die Resozialisierung auswirken.
Gericht lässt Beteiligung der Gefangenen an Haftkosten zu
Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ein Entlohnungsmodell vorzugeben, betonte König. Bei einer Neuregelung könne der Gesetzgeber auch einen Teil des Arbeitsentgelts für bestimmte Zwecke einbehalten oder die Gefangenen an den Kosten im Vollzug beteiligen – etwa durch einen Haftkostenbeitrag.
Eine bundeseinheitliche Erhebung, was ein Hafttag kostet, gibt es nicht. In Berlin beispielsweise waren es 2021 im Schnitt 226 Euro. In Berlins Haftanstalten bekommen arbeitende Gefangene zwischen 1,66 und 2,66 Euro pro Stunde. Sicherungsverwahrte bekommen in der niedrigsten Eingruppierung einen Stundenlohn in Höhe von 2,96 Euro, in der höchsten 4,72 Euro.
Gefangenengewerkschaft hofft auf fünf bis sieben Euro pro Stunde
Nach dem Spruch des Gerichts zeigte sich die Gefangenengewerkschaft zufrieden. „Wir hoffen, dass wir hier schon einen ganz schönen Sprung nach oben machen“, sagte der Sprecher der Gewerkschaft, Manuel Matzke. Etwa fünf bis sieben Euro pro Stunde stelle er sich vor.

Grundsätzlich fordert die Gefangenengewerkschaft, dass Häftlinge den Mindestlohn erhalten. Der wie gesagt nicht für sie gilt, da Arbeit in Haft eine Resozialisierungsmaßnahme ist. „Aktuell sind wir einfach auf dem Stand, dass vermittelt wird, dass ehrliche Arbeit sich nicht auszahlt. Und so kann niemand resozialisiert werden“, sagte Matzke.
„Was wir ein bisschen vermissen, ist der Einbezug in die Rentenversicherung, in die gesetzlichen Leistungssysteme“, sagte Matzke weiter. Denn in dem Urteil stellten die Richterinnen und Richter fest, dass es verfassungsrechtlich nicht erforderlich sei, arbeitende Gefangene in die sozialen Sicherungssysteme aufzunehmen.