„Heute für Kollegen schämen“: Wie die Corona-Aktion die deutsche Schauspielwelt spaltet
53 Schauspieler machten sich über Corona und die Maßnahmen zur Eindämmung lustig. Dafür bekamen sie Applaus von rechts und Widerspruch von zahlreichen Kollegen.

Man kennt sie aus dem „Tatort“ oder der Erfolgs-Serie „Babylon Berlin“: Dutzende prominente Schauspielerinnen und Schauspieler haben in einer koordinierten Aktion die Corona-Politik der Bundesregierung kritisiert. Unter dem Hashtag #allesdichtmachen verbreiteten Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller oder Jan Josef Liefers am Donnerstag bei Instagram und auf der Videoplattform Youtube angeblich ironisch gemeinte Clips mit persönlichen Statements. Während zahlreiche Kollegen heftig Gegenrede leistete, gab es für Bruch, Liefers und Co. viel Lob aus der rechten Ecke.
Die Ansätze der Schauspieler waren vielschichtig: Liefers warf den Medien vor, komplett gleich zu berichten, Müller machte sich über Maßnahmen lustig und Bruch warf der Politik vor, Angst zu verbreiten – und das nachdem er zuletzt mehrfach Videos teilte, in denen er Panik vor dem Tragen von Masken verbreitete.
Dieses Video rief umgehend Kritik hervor – in den sozialen Netzwerken, aber auch bei zahlreichen Schauspielkollegen. Christian Ulmen etwa postete auf Instagram lediglich den Satz: „Heute bisschen für Kollegen schämen.“ Elyas M'Barek schrieb: „Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“ Jeder wolle zur Normalität zurückkehren und das werde auch passieren. Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragte: „Das kann doch nicht Dein Ernst sein“. Nora Tschirner warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor und schrieb: „Kann man machen,. Kann halt sein, dass man sich ein büschn schämen wird in ein paar Jahren.“ Dazu schrieb sie den Hashtag #allesschlichtmachen.

Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, „wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat“, sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel „Station 43 – Sterben“. „Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben“, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist.
In den sozialen Medien stieß die Aktion teilweise aber auch auf Zustimmung: Beifall gab es etwa vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dem ultrarechten CDU-Politiker Hans-Georg Maaßen, der die Aktion „großartig“ nannte. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem „Meisterwerk“. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: „Das ist intelligenter Protest.“ Liefers beteuerte umgehend, mit der AfD und Querdenkern nichts zu tun zu haben. „Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt.“ Doch anders als Heike Makatsch, die ihr Video zurückzog nachdem sie merkte, wer ihr da applaudierte, ließ Liefers sein Video aber online.
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Die Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller rund 20.000 in Deutschland Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. Die 53, die diese Videos aufgenommen haben, gehören zu einem großen Teil nicht dazu. Sie gehören zur schauspielerischen Elite dieses Landes. Dass sie dennoch nicht mehr Unterstützer zusammenbekommen konnten, spricht Bände.