Habeck: Atomkraftwerke laufen vermutlich weiter bis April
Die Lage auf dem Strommarkt bleibt kritisch. Daher schwenkt der Grüne nun ein. Stand heute bleiben die AKWs vorerst länger am Netz.

Die Grünen hatten sich bis zuletzt gegen eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke gestemmt, doch nun muss Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einknicken! Mittlerweile hält auch er den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 für notwendig.
Hauptgrund: In Frankreich gehen über die Hälfte der Kernkraftwerke nicht ans Netz. Dadurch fehlt Strom, den Deutschland zum Teil aus Gas produziere. Doch das Gas könnte knapp werden. „Wenn diese Entwicklung nicht noch in ihr Gegenteil verkehrt wird, werden wir Isar 2 und Neckarwestheim im ersten Quartal 2023 am Netz lassen.“ Stand heute halte er das für notwendig.
Atomkraftwerke bilden ab Januar Ersatzreserve
Habeck sagte, er habe sich am Dienstag mit den Betreibern der beiden Atomkraftwerke auf ein Konzept für den Reservebetrieb verständigt. Den Eckpunkten zufolge sollen Isar 2 und Neckarwestheim nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31. Dezember in eine Einsatzreserve überführt werden. Sie stünden somit bereit, um einen drohenden Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern.
Die Betreiber würden „ab sofort alles Erforderliche in die Wege leiten“, damit die Anlagen über das Jahresende hinaus bis längstens zum 15. April 2023 weiter betrieben werden können. Die Entscheidung über den Reservebetrieb soll noch in diesem Jahr fallen. Die Eckpunkte seien die Grundlage für das Gesetzgebungsverfahren, dessen Abschluss Habeck bis Ende Oktober anstrebt.
Über die Notwendigkeit des Weiterbetriebs werde entlang der Grunddaten des sogenannten Netzstresstests entschieden, wie das Ministerium weiter mitteilte. Basis dafür sei ein Monitoring, „das die Verfügbarkeit der Atomkraftwerke in Frankreich, den Umfang der an den Markt zurückgekehrten Kohlekraftwerke, die Verfügbarkeit der Gas- und Kohlekraftwerke sowie die erwartete Entwicklung des Stromverbrauchs berücksichtigt“. Die Lage in Frankreich sei nicht gut und habe sich in den vergangenen Wochen „deutlich schlechter entwickelt als prognostiziert“, sagte Habeck.
Versorgungssicherheit soll gewährleistet werden
„Aufgabe ist es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und gleichzeitig der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Atomenergie eine Hochrisikotechnologie ist, die streng unter den geltenden Sicherheitsvorkehrungen eingesetzt werden muss“, betonte der Wirtschaftsminister. „Entsprechend haben wir die Einsatzreserve ausbuchstabiert.“ Jetzt würden die Betreiber alle nötigen Vorbereitungen treffen, damit die süddeutschen Atomkraftwerke über den Jahreswechsel hinaus im Winter Strom produzieren können, „selbstverständlich unter Einhaltung aller geltenden Sicherheitsvorschriften“.
Grünen-Chefin Ricarda Lang verteidigte die Verschiebung des Atomausstiegs. „Die Meiler in Frankreich werden wohl auch im Winter viel weniger als die geplanten Strommengen einspeisen“, sagte sie den Funke-Zeitungen (Mittwochsausgaben). Die Einsatzreserve erlaube es, bis Mitte April auf Isar 2 und Neckarwestheim zurückzugreifen, wenn dieser Schritt geboten sei. „Andererseits ermöglicht sie es, auf die Nutzung einer Hochrisikotechnologie zu verzichten, wenn Versorgung und Netzstabilität auf anderem Wege garantiert werden können“, sagte Lang.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr begrüßte Habecks Ankündigung zur Atom-Notreserve als „richtigen Schritt“. Dürr sagte den Funke-Zeitungen: „Es ist erfreulich, dass die Grünen sich bewegen.“ Er forderte zugleich, das Akw Emsland als dritte noch im Betrieb befindliche Anlage nicht außen vor zu lassen. „Dieser Meiler ist einer der funktionsfähigsten und sichersten der Welt“, sagte Dürr.