Hartz IV wurde 2005 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt.
Hartz IV wurde 2005 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführt. Foto: imago

„Garantiesicherung“ heißt die neue Sozialleistung, die die Grünen-Fraktion anstelle von Hartz IV vorschlägt. „Die Herausforderungen des Arbeitsmarktes sind andere als zur Einführung des Hartz-IV-Gesetzes“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk. Zudem verschärfe die Corona-Pandemie die soziale Ungleichheit.

Die Höhe der Sicherung soll 600 Euro für Alleinstehende betragen – zusätzlich zur Miete – und damit 150 Euro mehr, als der jetzige Hartz-IV-Satz vorsieht. Erst zu Beginn dieses Jahres wurde dieser Regelsatz erhöht. Alleinstehende Erwachsene erhalten mit 446 Euro 14 Euro mehr als bisher, für Jugendliche wurde weitaus mehr draufgeschlagen: ihr Satz steigt um 45 Euro auf 373 Euro pro Monat. Als „viel zu niedrig“ bezeichnet der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Sven Lehmann, diesen Regelsatz. Er sichere zwar ein Überleben, ermögliche allerdings keine Teilhabe. Zur soziokulturellen Teilhabe gehören beispielsweise die Freizeitgestaltung und der öffentliche Nahverkehr.

Sanktionen und Vermögensprüfung sollen weg

Neben mehr Geld sieht das Modell der Garantiesicherung weitere Neuerungen vor: So sollen neben der Vermögensprüfung auch die Sanktionen „in Gänze“ abgeschafft werden. Bisher wird Hartz-IV-Empfängern ein Teil ihres Geldes gestrichen, wenn sie beispielsweise keine Bewerbungen schreiben oder zu vereinbarten Terminen nicht erscheinen. Somit würden die 600 Euro ohne Gegenleistung ausgezahlt werden.

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Dass dadurch der Wille zur Arbeit reduziert würde, glaubt Lehmann nicht, stattdessen erwartet er einen „positiven Schub bei der Eingliederung“. Zudem geht er davon aus, dass mit dieser Sozialleistung auch Menschen erreicht würden, die sich bisher aus Scham oder zu geringen Ansprüchen nicht trauten, die Sozialleistung zu beantragen.

Zum Gesamtpaket der grünen Sozialreform gehören zudem ein höherer Mindestlohn, die Abschaffung des Ehegattensplittings sowie eine Kindergrundsicherung und eine höhere Zuverdienstgrenze. Bisher können Hartz-IV-Empfänger 100 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen. Höhere Einkommen werden zu 80 Prozent angerechnet. Diese Forderung teilt auch die FDP.

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Außerdem sieht das Konzept eine „Individualisierung von Garantiesicherungsleistungen“ vor. Gemeint ist, dass Partner nicht mehr füreinander einstehen müssen. „Damit wollen wir vor allem Frauen entlasten“, sagte Lehmann. So soll beispielsweise eine arbeitende Frau nicht ihren Partner in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit mitfinanzieren müssen. Somit soll auch vermieden werden, dass in die Privatsphäre der Paare eingegriffen wird. Um festzustellen, ob zusammenlebende Personen eine Bedarfsgemeinschaft bilden, führen Jobcenter manchmal Hausbesuche durch. Langfristig gesehen sollen auch Ehepartner aus der Verantwortung genommen werden. „Die Bedarfsgemeinschaft zu überwinden“ heißt das Fernziel der Sozialreform. Der Staat wäre so für jedes Familienmitglied einzeln verantwortlich, Paare wären finanziell voneinander unabhängig.

Maria Loheide vom Vorstand Sozialpolitik der Diakonie begrüßt den Vorschlag der Grünen-Fraktion. „Respekt und Ermutigung müssen in der Existenzsicherung endlich Wirklichkeit werden. Dieser großen Reformaufgabe wird sich die nächste Bundesregierung in der kommenden Wahlperiode stellen müssen – unabhängig davon, von welchen Parteien sie getragen wird.“

Die Kosten der Reform sollen Anja Hajduk zufolge im „niedrigen zweistelligen Milliardenbereich“ liegen.