Soldaten der Bundeswehr stehen auf dem Betriebsgelände der Firma Tönnies und helfen bei Corona-Reihenuntersuchungen. 
Soldaten der Bundeswehr stehen auf dem Betriebsgelände der Firma Tönnies und helfen bei Corona-Reihenuntersuchungen.  Foto: dpa/Deeke/Bundeswehr

1331 Beschäftigte des Schlachtbetriebs Tönnies in Rheda-Wiedenbrück wurden inzwischen positiv auf das Coronavirus getestet, die ganze Region Gütersloh (NRW) ist im Alarmzustand. Im Ringen um Schadensbegrenzung entschuldigte sich der Chef des Fleischkonzerns, Clemens Tönnies, für den bis dato größten Corona-Ausbruch in NRW. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Kontrollen in der Fleischindustrie weiter verschärfen. Doch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter reicht das längst nicht. Er rief zum Boykott von Tönnies-Produkten auf.

Hier lesen Sie: Corona-Skandal: In diesen Marken steckt Fleisch von Tönnies >>

Hofreiter: Supermärkte machen sich mitschuldig

„Es ist an der Zeit, dass die großen Supermarktketten sich nicht länger mitschuldig machen. Sie sollten Tönnies-Produkte aus ihrem Angebot nehmen“, erklärte Hofreiter gegenüber „Bild“. Die Fleischfabrik wurde für 14 Tage geschlossen. Beim Krisenstab informierte sich NRW-Landeschef Armin Laschet (CDU) vor Ort über die Lage.

Tönnies-Chef Clemens Tönnies entschuldigte sich für den verheerenden Corona-Ausbruch.
Tönnies-Chef Clemens Tönnies entschuldigte sich für den verheerenden Corona-Ausbruch. Foto: Imago Images/Noah Wedel

Das Land sei über die schon entsandten Kräfte hinaus bereit, „jegliches Personal zu organisieren, das gebraucht wird“, sagte Laschet Hilfe zu. Das Wichtigste sei nun die Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten und die strikte Einhaltung der Quarantäne für alle 7000 Mitarbeiter, so Laschet weiter und warnte Arbeiter aus anderen Ländern vor einer überstürzten Abreise in ihre Heimat. Von einem flächendeckenden Lockdown sieht Laschet nach wie vor ab. 

Hier lesen Sie: Gesetzes-Initiative: NRW will Billig-Fleisch verbieten >>

Es gebe zwar „ein enormes Pandemie-Risiko“, so der Regierungschef. Das Infektionsgeschehen sei aber klar bei der Firma Tönnies lokalisierbar. Auch den Unternehmenschef Clemens Tönnies nimmt er in die Pflicht. „Wir werden auch Herrn Tönnies beim Wort nehmen, dass er gesagt hat, es kann keinen Zustand geben wie zuvor. Wir brauchen neue Regeln, neue Bedingungen – und das ist auch das, was wir vom Unternehmen erwarten.“

Proteste vor der Tönnies-Firmenzentrale: Die Wut in der Region ist riesig. Schulen und Kitas sind geschlossen, ein lokaler Shutdown droht wegen der Zustände in der Fleischindustrie.
Proteste vor der Tönnies-Firmenzentrale: Die Wut in der Region ist riesig. Schulen und Kitas sind geschlossen, ein lokaler Shutdown droht wegen der Zustände in der Fleischindustrie. Foto: AFP/Ina Fassbender

Im Kreis Gütersloh werden derzeit 19 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt. Sechs von ihnen liegen auf der Intensivstation, darunter fünf Tönnies-Mitarbeiter. In einem Viertel der Stadt Verl wurde wegen etlicher Corona-Fälle eine Quarantäne-Zone eingerichtet. Mehrere Mehrfamilienhäuser, in denen Werkvertragsarbeiter untergebracht sind, stehen unter Quarantäne und sind mit Bauzäunen abgeriegelt. Unter den insgesamt betroffenen 670 Mietern sind aber auch etliche, die nicht bei Tönnies beschäftigt sind.

In Verl stellen Feuerwehrleute Bauzäune auf. Ein ganzes Wohnviertel wurde dort unter Quarantäne gestellt.
In Verl stellen Feuerwehrleute Bauzäune auf. Ein ganzes Wohnviertel wurde dort unter Quarantäne gestellt. Foto: dpa/David Inderlied

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnte angesichts der Reihe von Corona-Ausbrüchen in den letzten Tagen in Gütersloh, Göttingen und Berlin-Neukölln vor sozialen Konflikten. „Wir dürfen Menschen nicht diskriminieren oder benachteiligen, die zum Beispiel im Niedriglohnbereich unter schlechten Wohnverhältnissen die preiswerte Fleischproduktion in bestimmten Betrieben gewährleistet haben“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Hier lesen Sie: Eine Stadt im Ausnahmezustand: Göttingen: Corona-Ausbruch nach Zuckerfest-Partys >>

Man dürfe Menschen, die in beengten Verhältnissen wohnen, keinen Vorwurf machen, weil es dort eher zu Infektionen kommen kann. Hier seien insbesondere die Betriebe gefordert, nicht nur für anständige Löhne und Arbeitsbedingungen zu sorgen, sondern auch für Wohnverhältnisse, in denen ausreichende Hygienestandards gewährleistet werden können.