Genervt: Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Bekanntgabe der Entlassung von Staatssekretär Patrick Graichen.
Genervt: Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Bekanntgabe der Entlassung von Staatssekretär Patrick Graichen. Christophe Gateau/dpa Pool

Wer geglaubt hat, die Entlassung von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen (Grüne) durch seinen Minister und Parteifreund Robert Habeck würde Ruhe in die Ampel-Koalition bringen, sieht sich getäuscht. Die FDP nutzt den Vorgang, um das von Graichen maßgeblich formulierte Gebäudeenergie-Gesetz zu hintertreiben, das auch als Heizungsgesetz bekannt ist.

Patrick Graichen, Wirtschaftsstaatssekretär a. D.
Patrick Graichen, Wirtschaftsstaatssekretär a. D. Kay Nietfeld/dpa

Habeck hatte Graichen am Mittwoch in den einstweiligen Ruhestand geschickt. Anlass war, dass Graichen 600.000 Euro Fördermittel für den Landesverband des BUND Berlin ermöglicht hatte, in dessen Vorstand seine Schwester Verena sitzt (die, nebenbei erwähnt, mit dem grünen Staatssekretärs-Kollegen Michael Kellner verheiratet ist). Das war ein Fehler zu viel. 

Unter Beschuss war Graichen nämlich schon seit drei Wochen: Er war an der Auswahlkommission beteiligt, die seinen Trauzeugen zum Chef der bundeseigenen Energie-Agentur Dena machen wollte.

Als Tüpfelchen auf dem „i“ musste Habeck am Mittwoch noch bekannt geben, dass ein Mann in eine Energiewende-Expertenkommission berufen wurde, der für das Öko-Institut arbeitet. Wie Verena Graichen und ihr zweiter Bruder Jakob.

Graichen-Affäre: Offenes Tor für den Unions-Angriff auf das Heizungsgesetz

Die Vorgänge machten es der Union als größter Opposition noch leichter, eine Kampagne gegen das vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte Heizungsgesetz loszutreten. 

Laut dem Gesetzentwurf soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer unter 80 Jahre gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben werden, defekte Anlagen dürfen repariert werden. Mit dem Gesetz soll der Abschied von Gas- und Ölheizungen eingeläutet werden.

CDU/CSU vermitteln den Eindruck, dass dieses Gesetz eine sofortige und flächendeckende Verarmung von Hauseigentümern nach sich ziehen würde, und die Regierungspartei FDP koppelt sich an. Man müsse den Zeitplan für das Gesetz strecken, heißt es von den Liberalen – mit der Begründung, dem Parlament sei der mit Patrick Graichen der Ansprechpartner für das Thema abhandengekommen.

„Ich halte eine Verabschiedung vor der Sommerpause für ausgeschlossen“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Bild. „Es ist nicht entscheidend, wann das GEG verabschiedet wird. Entscheidend ist, dass es ein gutes Gesetz wird, das niemanden überfordert und viele Technologien ermöglicht.“

FDP hat hundert Fragen an den Regierungspartner Robert Habeck 

Er kündigte einen Fragenkatalog seiner Fraktion an Habeck an. „Die FDP-Fraktion hat noch rund hundert Fragen an Robert Habeck. Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen.“

Von SPD und Grünen kommt Widerstand gegen die FDP-Forderung zum Aufschub beim Zeitplan. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte mit Blick auf den Abgang von Graichen: „Beide Sachverhalte haben nichts miteinander zu tun.“ Es gebe keine Klimaneutralität in Deutschland, ohne dass man an die Art des Heizens herangehe. An dieser Notwendigkeit habe sich nichts geändert.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sieht dies genauso. Wenn die FDP eine Verzögerung ankündige, dann, weil sie etwas verschieben wolle.

Am Mittwoch wird sich der Bundestags-Wirtschaftsausschuss mit der ganzen Thematik befassen. „Jetzt muss reiner Tisch gemacht werden. Das Heizungsaustauschgesetz muss zurück in die Werkstatt. Der Versuch, den unausgegorenen Habeck-Entwurf noch vor der Sommerpause durch den Bundestag zu peitschen, muss beendet werden“, sagte der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm.