Gigantische Methanwolke über der Ostsee: SO vergiften die riesigen Lecks in den Nord-Stream-Pipelines das Klima!
Ein Prozent der deutschen Jahres-Gesamtemissionen werden ungebremst aus den Ostsee-Pipelines geschleudert.

Die mittlerweile vier entdeckten Lecks in den Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 sorgen für politische Turbulenzen. Der Westen geht von Sabotageakten im Zusammenhang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine aus, aber auch Moskau äußerte den Verdacht, „ein Staat“ habe die Schäden absichtlich verursacht.
Doch auch wegen ihrer umwelt- und klimaschädlichen Auswirkungen sorgen die Pipeline-Lecks in der Ostsee nahe der dänischen Insel Bornholm für Aufregung. Wie schätzen Experten die Folgen ein?
Was entweicht aus den beschädigten Pipelines?
Erdgas besteht bis zu 99 Prozent aus Methan, einem wirkmächtigen Treibhausgas. In einem Zeitraum von 100 Jahren ist die erderwärmende Wirkung von Methangas 28-mal größer als die von Kohlendioxid. Allerdings dauert die Zersetzung von Methan in der Atmosphäre nur etwa zehn Jahre, während CO2 mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte in der Atmosphäre bleibt.
Bei Kontakt mit Wasser oxidiert ein Teil des Methans aus den Nord-Stream-Pipelines, sodass CO2 entsteht, wie der Atmosphärenphysiker Grant Allen von der Universität Manchester erläutert. Angesichts des Ausmaßes der Lecks werde aber der größte Teil des Erdgas in Form von Methan an die Oberfläche der Ostsee steigen.
Wie viel Gas und Methan tritt aus?
Das ist die große Frage. Viele Experten bemühen sich, das auszurechnen. Die dafür notwendigen Schätzungen, wie viel Erdgas sich zum Zeitpunkt der Beschädigung der Pipelines darin befand, gehen weit auseinander. Allen verweist auf eine Schätzung, dass allein in der Pipeline Nord Stream 2 rund 177 Millionen Kubikmeter Erdgas waren – und damit so viel wie 124.000 britische Haushalte im Schnitt pro Jahr verbrauchen.
Klimaexperte Lauri Myllvirta befürchtet, dass zwischen 180.000 und 270.000 Tonnen Erdgas durch die Lecks entweichen werden. Das Umweltbundesamt (UBA) schätzte die reinen Methanemissionen am Mittwoch, also vor der Entdeckung des vierten Lecks, auf 300.000 Tonnen, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nannte 350.000 Tonnen.
Der Leiter des Ostseebüros der Umweltorganisation WWF, Finn Viehberg, wiederum ging von „überschlagenen“ 150.000 Tonnen Methanverlust aus. Damit entspräche die austretende Menge nach seinen Angaben sieben bis acht Prozent der jährlichen deutschen Methanemissionen.

Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, der Treibhausgas-Ausstoß durch die Lecks entspreche dem durchschnittlichen Treibhausgasausstoß des Ostsee-Anrainerstaats Dänemark in einem Zeitraum von acht Monaten.
Wie groß ist die klimaschädliche Wirkung im globalen Vergleich?
Das Umweltbundesamt erklärte am Mittwoch, die Lecks an den Nord-Stream-Leitungen führten zu „erheblichem Klimaschaden“, da wegen fehlender Abschottungsmechanismen an den Pipelines das gesamte darin enthaltene Methan in die Atmosphäre gelangen werde. Die DUH warnte, durch die Lecks sei bereits „unermesslicher Schaden“ für das Klima entstanden.
Auch der Klimaforscher Piers Forster von der Universität Leeds sieht einen „unmittelbaren erwärmenden Effekt“ und Auswirkungen auf die Luftqualität. Im globalen Vergleich ist der Effekt laut dem US-Astrobiologen Jeffrey Kargel aber gering. Die durch die Pipeline-Lecks freigesetzten Emissionen entsprächen gerade einmal der Emissionsmenge, die weltweit innerhalb von nur zweieinhalb Stunden ausgestoßen werde.
Welche anderen Umweltfolgen gibt es?
Laut der Meeresschutzexpertin der Umweltorganisation BUND, Nadja Ziebarth, werden die Auswirkungen der Gaslecks auf das marine Ökosystem „wahrscheinlich lokal begrenzt“ bleiben. Akut bestehe für die Tiere in der Umgebung allerdings die Gefahr zu ersticken. Davon könnten in schwedischen Gewässern insbesondere die Laichgebiete des Dorschs betroffen sein.