Gas-Umlage auf 2,419 Cent pro Kilowattstunde festgelegt
Mit dem Geld soll der Einkauf von teurerem Gas bezahlt werden, weil weniger Gas aus Russland kommt.

Jetzt ist es raus: Die staatliche Gas-Umlage wird 2,419 Cent pro Kilowattstunde betragen, vom 1. Oktober an erhoben werden. Das gab Trading Hub Europe (THE) bekannt, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber. Der Betrag ist deutlich niedriger als im schlimmsten Fall befürchtet: Das Wirtschaftsministerium war zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde ausgegangen.
Die Umlage soll Gasversorgern zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende, günstigere Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Die genaue Höhe der Umlage berechnete der „Marktgebietsverantwortliche“ THE (Ratingen, Berlin).
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Gas-Umlage wird erst im November oder Dezember auf den Rechnungen auftauchen
Die Umlage werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte gesagt, er rechne pro Jahr mit „einigen Hundert Euro pro Haushalt“ Mehrkosten für die Kunden. Je nach Höhe der Umlage und Verbrauch, so hatte es das Vergleichsportal Verivox errechnet, seien jährliche Mehrkosten zwischen 89 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt und 1190 Euro für eine Familie mit Einfamilienhaus zu erwarten. Die Berliner Gasag rechnet mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 140 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Wohnraum.
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Jetzt ist klar, dass zum Beispiel bei einem Gas-Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden mindestens 241,90 Euro Mehrkosten pro Jahr auf einen Haushalt zukommen. Ob es am Ende bei den 2,419 Cent pro kWh bleibt, ist allerdings noch nicht bekannt, denn eine Frage ist noch nicht beantwortet.
Frage ist offen, ob auf die Gas-Umlage noch Mehrwertsteuer verlangt wird
Denn unklar ist noch, ob auf die Gasumlage die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent fällig wird. Zwar will die Bundesregierung das verhindern, jedoch sind laut Finanzministerium solche Ausnahmen im Europarecht nicht vorgesehen.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat aber auf EU-Ebene um eine Ausnahme gebeten: In einem Brief an EU-Finanzkommissar Paolo Gentiloni bat Lindner ihn, sein Initiativrecht zu nutzen und den EU-Staaten die Möglichkeit zu geben, auf staatliche Abgaben im Energiebereich für eine Weile keine Mehrwertsteuer zu erheben.
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Verband verlangt Steuersenkung auf Gesamtpreis von Gas und Strom
Die Energiewirtschaft hat eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Strom insgesamt gefordert. In den Jahren 2023 und 2024, unter Umständen länger, solle sie auf den ermäßigten Satz von 7 Prozent reduziert werden, verlangt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Das wäre nur fair, denn mit den steigenden Energiepreisen steigen auch die Steuereinnahmen. Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des BDEW, rechnete vor: „Die Einnahmen des Staates würden mit einer Senkung der Mehrwertsteuer immer noch leicht über dem Niveau der Einnahmen von einem ‚Vor-Coronajahr‘ wie 2019 liegen.“ Mit einer Streichung oder Senkung der Mehrwertsteuer nur auf die Gasumlage, wie von Finanzminister Christian Lindner (FDP) angestrebt, wäre zum einen ein großer bürokratischer Aufwand verbunden und zum anderen nur eine geringe Entlastung erreicht.
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Habeck bekräftigte, der Staat solle über die Umlage letztlich keine höheren Mehrwertsteuereinnahmen erzielen. „Wir werden einen Weg finden, um sicherzustellen, dass es da nicht noch zu einer zusätzlichen Belastung kommt.“
Bundeskanzler sagte Bürgern zusätzliche Entlastungen zu
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Bürgern angesichts der stark gestiegenen Energiepreise zusätzliche Entlastungen zugesichert. Es werde niemand alleine gelassen. Habeck teilte mit, die Umlage werde von einem weiteren Entlastungspaket begleitet werden. „Gerade für diejenigen, die nicht viel haben, ist das eine hohe Belastung, die nicht oder nur schwer zu tragen ist.“ Die Bundesregierung habe sich schon auf erste Schritte wie eine Ausweitung des Wohngeldes mit einem Heizkostenzuschuss verständigt. „Ich meine aber, dass weitere zielgenaue Entlastungen nötig sind. In dieser Krise müssen wir den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern.“
Laut Habeck haben bislang zwölf Gasimporteure ihre Ersatzbeschaffungskosten bei THE angemeldet. Bezogen auf den Umlagezeitraum bis Anfang April 2024 machten diese Gasimporteure 34 Milliarden Euro an Kosten geltend, 90 Prozent der erwarteten Ersatzbeschaffungskosten für diese Zeit. Der Energiekonzern Shell kündigte an, wegen seiner enormen Gewinne durch die hohen Energiepreise keinen Antrag stellen zu wollen.
Das Wirtschaftsministerium sieht die Umlage als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dieser habe die ohnehin angespannte Lage auf den Energiemärkten drastisch verschärft. Russland habe seit Mitte Juni seine Gasimportmengen nach Deutschland in unberechenbarer Weise reduziert, damit eine künstliche Energieknappheit geschaffen und die Preise in die Höhe getrieben. Dieser „externe Schock“ treffe Deutschland, das bislang stark von günstigem Gas aus Russland abhängig war, besonders.
Gasimporteure aber haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die zu preislich langfristig festgelegten, ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teureres Gas am „Kurzfristmarkt“ ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden.
Die Folge: Bei Importeuren liefen schwere Verluste auf. Deswegen hat der Bund mit dem von der Insolvenz bedrohten Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart, und im Zuge dessen auch die Gasumlage. Diese kommt zusätzlich zu marktbedingten Preissteigerungen an, die schrittweise bei den Kunden ankommen.
Die Umlage kann alle drei Monate an die Gaspreise angepasst werden und soll in dem Moment wegfallen, wenn Russland wieder so viel liefert wie vertraglich vereinbart ist.
Der Deutsche Städtetag hat in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, die Gasumlage für die Kunden über längere Zeit strecken. „Die Umlage ist der richtige Weg: Sie hilft zu verhindern, dass die Lieferkette zusammenbricht“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy am Montag. „Aber sie darf die Menschen nicht weiter verunsichern oder überfordern, sondern muss verlässlich sein.“ Daher solle die Umlage nicht alle drei Monate geändert werden. Weitere Preissteigerungen müssten durch Zuschüsse des Bundes abgefedert werden.
Rechtlicher Hintergrund der Einführung der eigentlich „Gasbeschaffungsumlage“ genannten Zahlung ist eine am 9. August in Kraft getretene Verordnung der Bundesregierung. Danach, so hieß es von THE, haben von erheblicher Reduzierung der Gas-Einfuhrmengen unmittelbar betroffenen Importeure Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich eines Teiles der Mehrkosten für Ersatzbeschaffungen. Das gilt jedoch nur, wenn die Gasbezugsverträge vor dem 1. Mai 2022 abgeschlossen wurden. Die „Ausgleichsansprüche für die betroffenen Mehrkosten bestehen (...) erst ab dem 1. Oktober 2022“, erklärte Thomas Becker, Geschäftsführer der THE.
Die Energie in Deutschland
Die Gas-Lieferungen aus Russland sind seit Jahresbeginn auf etwa ein Fünftel gesunken, der monatliche Gasverbrauch in Deutschland ging aber auch zurück. Dafür sind die Preise für Gas und Strom gestiegen, die Preise für Treibstoff gingen ebenfalls hoch, sanken zuletzt aber wieder. Im Detail, teilweise gerundet und im Deutschland-Schnitt:
- Lieferte Russland Anfang Januar 2022 noch knapp 2300 Gigawattstunden (GWh) Gas pro Tag, sind es jetzt weniger als 480 GWh.
- Der Gasverbrauch in Deutschland lag 2021 bei 46,1 Terawattstunden (TWh) pro Monat. 2022 sind es bislang 33,6 TWh pro Monat. Allerdings sind in diesem Schnitt die kalten Monate zum Jahresende nicht einbezogen.
- Deutschlands Gasspeicher waren am Montag früh zu 76,11 Prozent gefüllt. Angepeilt waren 75 Prozent zum 1. September. Am 1. November sollen es 95 Prozent sein.
- Der Gaspreis ist seit Jahresbeginn von 4,5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf 28,4 Cent pro kWh gestiegen.
- Beim Strom stieg der kWh-Preis von knapp 24 Cent ausgehend steil an, dann im Zickzack zwei Mal nach unten und wieder hoch auf 48,8 Cent.
- Diesel liegt jetzt bei 1,89 Euro/Liter. Anfang 2022 waren es 1,23 Euro, Anfang März 2,33 Euro. Mit der mit dem August endenden Rabattierung sind es jetzt 1,70 Euro.
- Super E10 war Anfang des Jahres für 1,34 Euro/Liter zu haben, Anfang März für 2,19 und zuletzt für 1,70 Euro/Liter.
- Der Strom in Deutschland wurde am Sonntag zu fünf Prozent mit Gas produziert, zu 31,5 Prozent aus Kohle (Foto), zu 22,8 Prozent aus Sonnen-und zu 16,3 Prozent aus Windenergie. 8,1 Prozent kamen aus den drei letzten Atomkraftwerken, der Rest unter anderem aus Wasserkraft.
Quellen: Bundesnetzagentur, DWD, Verivox (für die Strom- und Gaspreise), entsog, GIE AGSI+