Gut gelaunt ist anders: Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der beim  G20-Gipfel Präsident Putin vertritt, während eines Treffens mit seinem chinesischen Amtskollegen. Lawrow erscheint isoliert, war am Montag nicht beim gemeinsamen Abendessen der Teilnehmer dabei.
Gut gelaunt ist anders: Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der beim G20-Gipfel Präsident Putin vertritt, während eines Treffens mit seinem chinesischen Amtskollegen. Lawrow erscheint isoliert, war am Montag nicht beim gemeinsamen Abendessen der Teilnehmer dabei. imago/Pavel Bednyakov

„It's the economy, stupid!“ Den Spruch aus dem erfolgreichen US-Wahlkampf Bill Clintons von 1992 hätte sich Russland mal zu Herzen nehmen müssen, ehe es die Ukraine überfiel. China, Moskaus wichtigster Partner, scheint keine Lust mehr zu haben, wegen der weltweiten ökonomischen Folgen des Kriegs Enbußen zu erleiden. „Es dreht sich alles um die Wirtschaft, Dussel“, wie man den Spruch übersetzen kann, und deshalb wird sich Russland beim G20-Gipfel auf der indonesischen Insel Bali am Mittwoch voraussichtlich eine diplomatische Klatsche abholen.  

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Gipfel-Abschlusserklärung: Verurteilung des russischen Angriff auf die Ukraine in Sicht

Der Entwurf einer gemeinsamen Abschlusserklärung sieht vor, dass der russische Angriff verurteilt werden soll. Die dpa meldete am Dienstag, dass sich der Westen bei den Verhandlungen der Teilnehmer (EU plus 19 Industrie- und Schwellenländer) über die Erklärung gegen anfänglichen Widerstand Moskaus durchsetzte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bindet im Tagungsraum der G20 seinen Schlips.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bindet im Tagungsraum der G20 seinen Schlips. imago/Sean Kilpatrick

Konkret wird in dem Entwurf Russland aufgefordert, die Kriegshandlungen einzustellen und seine Truppen aus der Ukraine sofort abzuziehen. „Die meisten Mitglieder verurteilten den Krieg in der Ukraine aufs Schärfste.“ Zudem steht dort, dass der Krieg nach Auffassung der meisten G20-Mitglieder die Probleme der Weltwirtschaft verstärkt und zum Beispiel das Wachstum schwächt und die Inflation steigen lässt. Wer „die meisten“ G20-Mitglieder sind, wurde nicht aufgelistet.

Auch Moskau will die Erklärung mittragen: Weil darin ausdrücklich betont wird, dass nicht alle G20-Länder die Verurteilung teilen. Das Papier soll an diesem Mittwoch zum Abschluss des Gipfels verabschiedet werden.

Beobachter sehen Abrücken Chinas von Russland wegen wirtschaftlicher Folgen des Ukraine-Kriegs

Russlands Zustimmung zum Textentwurf gilt als mögliches Zeichen dafür, dass Moskau beim Thema Ukraine nicht mehr auf die volle Unterstützung Chinas zählen kann. Noch am Freitag hatten Diplomaten berichtet, dass Peking in den Vorgesprächen zum Gipfel felsenfest an der Seite Moskaus stehe. 

Als eine Erklärung eines Pekinger Sinneswandels gilt, dass China  wegen seiner Exportabhängigkeit stark an einer gut laufenden  Weltwirtschaft interessiert ist und nicht will, dass die Folgen des Kriegs und schlechte Beziehungen zu den USA und der EU die eigene Entwicklung hemmen. Eine Rolle dabei könnte das lange Gespräch gespielt haben, dass Chinas Staatschef Xi Jinping am Montag mit US-Präsident Joe Biden geführt hatte.

Xi Jinping rief die G20 in der Auftaktsitzung zur Einigkeit auf. Konfrontation solle durch Kooperation ersetzt werden. Die Weltwirtschaft werde angesichts etwa der Corona-Pandemie anfälliger. Das geopolitische Umfeld bleibe angespannt. Die Krisen von Ernährung und Energie verstärkten sich gegenseitig.

Der G20-Gastgeber, Indonesiens Präsident Joao Widodo: „Wir müssen den Krieg beenden. Wenn der Krieg nicht zu Ende geht, wird es schwierig, unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht zu werden.“
Der G20-Gastgeber, Indonesiens Präsident Joao Widodo: „Wir müssen den Krieg beenden. Wenn der Krieg nicht zu Ende geht, wird es schwierig, unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht zu werden.“ AP/Alex Brandon

Auf Russlands Position wird in dem Erklärungs-Entwurf vor allem mit einem Satz eingegangen: „Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage.“ Russland akzeptierte demnach auch, dass der russische Angriff als Krieg bezeichnet wird  und nicht – wie von Präsident Wladimir Putin vorgegeben – als „militärische Spezialoperation“. Putin ist nicht auf Bali und lässt sich von seinem Außenminister Sergej Lawrow vertreten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Rande des Gipfels kurz mit dem russischen Außenminister. „Er stand in meiner Nähe und hat auch zwei Sätze gesagt. Das war das Gespräch“, sagte Scholz nach den ersten beiden Arbeitssitzungen. Er wolle nicht, dass da ein falscher Eindruck von der Länge des Austauschs entstehe. Er zeigte sich zufrieden mit dem ersten Ergebnissen des G20-Treffens. „Bisher trotz der Rahmenbedingungen, die bedrückend sind, ein ganz erfolgreich verlaufender Gipfel.“

Einen Erfolg bei den Verhandlungen über die Abschlusserklärung konnten die westlichen Industrienationen auch beim Thema Atomwaffen verbuchen. So stimmte Russland Diplomaten zufolge zu, dass nicht nur der Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Drohung damit als unzulässig bezeichnet wird. Sorgen vor einem russischen Atomwaffeneinsatz hatte zuletzt unter anderem die völkerrechtswidrige Annexion von vier besetzten ukrainischen Gebieten geschürt. Putin kündigte danach an, man werde sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen.

Ukraine verlangt Abzug aller russischen Truppen

Aus der Ukraine sind unterdessen Töne zu hören, die der geplanten Abschlusserklärung entsprechen. Für das Ende des Kriegs, in dem die Ukraine zuletzt große Gebiete von den Russen zurückerobert hatte, müsse Moskau seine Truppen komplett abziehen, und sein Land brauche internationale Sicherheitsgarantien, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über Video den Gipfelteilnehmern.

Selenskyj forderte auch eine Verlängerung des unter Vermittlung der Türkei und der UN geschlossenen Abkommens über den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer, das am 19. November ausläuft. Die G20 unterstützten die Forderung im Entwurf ihrer Abschlusserklärung.