Frauen unter Waffen im mexikanischen Drogenkrieg
Männer verschwinden, die Mordrate steigt, aber es gibt Zweifel an den Motiven der weiblichen Bürgerwehr.

El Terrero – Im Westen von Mexiko haben Frauen eine eigene Bürgerwehr organisiert. Die Mitglieder tragen Sturmgewehre und errichten Straßensperren, um, wie sie sagen, ein Eindringen des gefürchteten Jalisco-Drogenkartells in ihren Bundesstaat Michoacán zu verhindern. Einige der rund vier Dutzend Frauen sind schwanger, andere bringen ihre kleinen Kinder mit zu den Barrikaden. Die Mordrate in der ländlichen Gegend ist so hoch wie seit 2013 nicht mehr. Insgesamt gab es in Mexiko 2020 über 34.500 Morde, viele davon im Rahmen des Drogenkrieges zwischen Kartellen.
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Viele der Frauen aus der Ortschaft El Terrero haben Söhne, Brüder oder Väter im und am Rand der Kämpfe zwischen den Gangstern verloren. Eufresina Blanco Nava erklärt, ihr Sohn Freddy Barrios sei von bewaffneten Männern verschleppt worden. Seitdem habe sie nichts mehr von ihm gehört. Die Täter sollen zum Kartell aus dem Nachbar-Bundesstaat Jalisco gehören. „Sie haben viele Leute verschwinden lassen und auch junge Mädchen.“

Eine Frau, die aus Angst vor Repressalien ihren Namen nicht nennen will, erzählt, das Kartell habe ihre 14 Jahre alte Tochter entführt und fügt hinzu: „Wir werden mit unserem Leben die verteidigen, die noch da sind, unsere Kinder.“ Die Frauen hätten es satt, ihre Familien verschwinden zu sehen. In den Obstanbaugebieten von Michoacán gibt es immer weniger Männer. „Sobald sie einen Mann sehen, der eine Waffe halten kann, nehmen sie ihn mit“, sagt die Frau. „Sie verschwinden. Wir wissen nicht, ob sie für den Kampf rekrutiert oder schon getötet wurden.“
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Neben Barrikaden und Straßensperren verfügen die Milizionärinnen, denen sich auch Männer angeschlossen haben, noch über eine Art Schützenpanzer, einen schweren Pick-up mit einer angeschweißten Stahlpanzerung. In anderen Orten der Umgebung haben die Bewohner Gräben über die Zufahrtsstraßen gezogen, um ein Vordringen des Kartells aus dem Nachbarstaat Jalisco zu verhindern.
In El Terrero herrschen seit langem zwei Gangs. 2019 stahlen Männer der einen zwei Dutzend Autos und Busse und steckten sie auf einer Brücke über den Rio Grande in Brand, um einen Überraschungsangriff von Jalisco-Mitgliedern zu verhindern. In der Region scheinen die Menschen gezwungen zu sein, sich für eine Seite zu entscheiden – entweder für das Jalisco-Kartell oder die verbrecherischen Machthaber in El Terrero. Etliche Menschen sind daher überzeugt, dass auch die Mitglieder der Bürgerwehr dort nur das Fußvolk der letztgenannten sind.
Die Freiwilligen weisen strikt von sich, Teil einer kriminellen Bande zu sein. Sie erklären, sie würden sich freuen, wenn Polizei und Militär in der Region für Ordnung sorgen würden.
Gründer der Selbstverteidigungsbewegung distanziert sich
El Terrero liegt in der Nähe der Stadt La Ruana, wo die Selbstverteidigungsbewegung 2013 ihren Anfang nahm, gegründet vom Obstpflücker Hipolito Mora. Nachdem ein Kartell erfolgreich vertrieben war, distanzierte sich Mora wie die meisten anderen Gründungsmitglieder von den verbliebenen Gruppen. Er kandidiert derzeit für das Amt des Gouverneurs und sagt: „Ich kann Ihnen versichern, dass das keine legitimen Aktivisten für die Selbstverteidigung sind. Das ist organisiertes Verbrechen.“ Die Gruppen hätten sich unterwandern lassen und seien nun selbst Kriminelle, die sich als Bürgerwehr ausgäben.
Dieser Ansicht ist auch der amtierende Gouverneur Silvano Aureoles. „Sie sind Kriminelle, Punkt“, sagt er. Um ihre illegalen Aktivitäten zu verschleiern, bezeichneten sie sich als organisierte Selbstverteidigung. Mora räumt ein, dass die Lebensumstände, die 2013 zur Gründung der Bewegung führten, noch immer unverändert sind. Behörden und Polizei könnten das Gesetz nicht durchsetzen und keine Sicherheit für die Einwohner garantieren.