Bootsunglück vor Griechenland

Flüchtlingskind (5) ertrinkt im Mittelmeer – Justiz klagt den Vater an

25-Jähriger aus Afghanistan wollte seinem Sohn eine bessere Zukunft in Europa ermöglichen.

Teilen
Dem Vater droht im Verfahren jahrelange Haft.
Dem Vater droht im Verfahren jahrelange Haft.AP/Thanassis Stavrakis

Auf einem Hügel voller Pinien am Mittelmeer ist ein kleiner afghanischer Junge begraben. Seine erste Bootsreise war seine letzte: Yahya A. starb auf See, vor seinem sechsten Geburtstag. „Er ertrank bei einem Schiffbruch“, steht auf seinem Grabstein. „Es war nicht das Meer, es war nicht der Wind, es sind die Politik und Furcht.“

Gemeint ist damit die Einwanderungspolitik. Der Junge war mit seinem 25-jährigen Vater Nadir A. auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland, in einem Schlauchboot zusammen mit anderen afghanischen Migranten, als sich das Unglück ereignete.

Ein Teddybär steht auf dem Grab des kleinen Yahya A., der auf der griechischen Insel Samos beerdigt wurde.
Ein Teddybär steht auf dem Grab des kleinen Yahya A., der auf der griechischen Insel Samos beerdigt wurde.AP/Thanassis Stavrakis

Jetzt ist der Vater von Schmerz zerrissen – und nicht nur das: Er ist in Griechenland wegen Kindesgefährdung angeklagt worden und könnte bis zu zehn Jahre im Gefängnis landen. Es ist vermutlich das erste Mal, dass ein migrierender Elternteil in einem EU-Land vor Gericht gestellt werden soll, weil sein Kind auf der Reise ums Leben kam.

Vater drohen bis zu zehn Jahre Haft

Der geschiedene alleinerziehende Vater sagt, dass er sich zum Verlassen der Türkei entschlossen habe, nachdem sein Asylersuchen dort zwei Mal abgelehnt worden sei. Er habe befürchtet, nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden. „Ich bin nicht zum Spaß hierhin gekommen. Ich war dazu gezwungen“, sagte Nadir. „Ich habe mich um der Zukunft meines Sohnes, meiner Zukunft willen dazu entschlossen.“

Jetzt denke er oft an Selbstmord. „Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn leben kann. Er ist das Einzige, das ich in meinem Leben hatte.“

In Schlauchbooten versuchen Flüchtlinge, die EU zu erreichen.
In Schlauchbooten versuchen Flüchtlinge, die EU zu erreichen.Imago/Pacific Press Agency

Es ist nicht klar, was die griechischen Behörden zu dem extremen Schritt bewog, ihn anzuklagen – gibt es doch viele andere Migranten, die auf ihrem Weg übers Meer Ähnliches erlebt haben. Griechenlands Minister für Migration, Notis Mitarachi, erklärte, der Fall bedeute nicht, dass sich die Einwanderungspolitik des Landes ändere.

Lesen Sie auch: Baby stirbt bei Flucht über das Mittelmeer

„Wenn ein Menschenleben verloren worden ist, muss untersucht werden, ob einige Leute, fahrlässig oder absichtlich, außerhalb der gesetzlichen Grenzen gehandelt haben“, sagte er. Das werde von Fall zu Fall entschieden.

Der Anklageschrift zufolge hat der Mann seinen Sohn bei schlechtem Wetter in ein seeuntüchtiges Boot gesetzt und ihn „hilflos zurückgelassen“. Nick van der Steenhoven von der Wohlfahrtsorganisation Choose Love, die sich für die Rechte von Flüchtlingen einsetzt, sagt dazu, dass sich Asylsuchende kaum eine Zeit aussuchen könnten: „Diese Leute müssen sich auf Schmuggler verlassen, die entscheiden, wann und wo Menschen sich auf diese Reise machen.“ Vater und Sohn seien „Opfer des Versagens der Europäischen Union, für sichere und legale Routen zu sorgen“.

Griechenland befindet sich mit seiner Lage an der EU-Grenze an vorderster Front der europäischen Migrationskrise. Zwischen 2014 und 2020 sind nach UN-Angaben mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der östlichen Mittelmeerroute nach Europa gekommen. Mehr als 2000 starben oder sind vermisst.