Wieder genug Räder lieferbar

Fahrrad-Industrie fordert: Baut die Städte für die Räder um!

Nach der Corona-Knappheit gibt es so viele Fahrräder im Angebot, dass Händler Rabatte geben müssen. Der E-Bike-Verkauf boomt, und die Industrie fordert Umdenken in den Städten, weil mehr geradelt wird

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Für jeden Hintern der Richtige: Einer der 1900 Aussteller aus 62 Ländern auf der Eurobike präsentiert seine Sattel-Kollektion.
Für jeden Hintern der Richtige: Einer der 1900 Aussteller aus 62 Ländern auf der Eurobike präsentiert seine Sattel-Kollektion.Andreas Arnold/dpa

Volle Lager statt schier endlosem Kundenandrang, Rabatte statt Preiserhöhungen: Nach dem Corona-Boom findet sich die Fahrradbranche auf dem Boden der Realität wieder. Wenn sich Händler und Hersteller bei der bis Sonntag laufenden Branchenmesse Eurobike in Frankfurt/Main treffen, haben viele zwar ein schönes Geldpolster im Rücken, doch die Lage ist durchwachsen. Vorteil für Kunden: Die Zeit für den Fahrradkauf ist so günstig wie lange nicht.

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Dass jetzt mehr Räder zu erträglichen Preisen vorhanden sind, die auf die Straße können, ist das eine. Wo sie dann fahren und stehen, das andere.  Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV), verlangt mehr Unterstützung von der Politik: „Wir haben 75 Jahre lang Politik für das Auto gemacht, nun müssen wir das Radfahren zumindest gleichstellen.“

Ausprobieren, was in den Niederlanden gang und gäbe ist

Es gelte Dinge auszuprobieren, die in Ländern wie den Niederlanden längst Standard seien – große Parkhäuser für Fahrräder und ein Netz breiter, gut ausgebauter Radwege: „Wir brauchen Mut zum Umdenken der Städte.“

Fahrradfahren sei nicht nur umweltfreundlich, sondern auch ein Mittel zum Sparen inmitten der Energiekrise, sagte Stork. „Radfahren spart CO2 und Geld im Alltag.“

Speziell ein E-Bike könne ein Zweitauto ersetzen, gerade in Städten. „Auch teure Lastenräder zahlen sich auf Dauer aus, weil die laufenden Kosten deutlich niedriger sind als beim Auto.“

Vor allem kurze Strecken über wenige Kilometer ließen sich gut mit dem Rad zurücklegen. Doch in Deutschland sei das Gegenteil der Fall: „50 bis 60 Prozent der mit dem Auto gefahrenen Strecken sind kurze Wege bis zehn Kilometer.“

Was das Geschäftliche angeht, erklärte Stork: „Der Corona-Boom, in dem die Leute kaufen, was sie kriegen können, ist vorbei“, sagt . Zudem belastet die hohe Inflation die Verbraucher. Das Segment der einfachen klassischen Räder bis um die  700 Euro habe es schwer, sagt Stork. „Die Lager sind voll, und erste Hersteller spüren das beim Umsatz und bei den Aufträgen.“

Das liegt unter anderem daran, dass es bis Herbst 2022 Lieferschwierigkeiten gab und viele Bestellungen. Doch vom Herbst 2022 an drehte sich der Markt. Hersteller lieferten plötzlich große Mengen Räder. „Teilweise kamen Lieferungen für 2022 und 2023 auf einmal“, sagt Stork.

Eine französische Firma bietet in Frankfurt E-Bikes im Stil alter Motorräder an. Samt Anhänger. Ist aber nicht ganz billig: Das Gespann kostet fast 13.000 Euro.
Eine französische Firma bietet in Frankfurt E-Bikes im Stil alter Motorräder an. Samt Anhänger. Ist aber nicht ganz billig: Das Gespann kostet fast 13.000 Euro.Daniel Kubirski/imago

Kein schöner Frühling, keine schönen Verkäufe

Das Ergebnis sind Bestände und Vorbestellungen bei den Händlern, die weit über dem Bedarf für dieses Jahr liegen. Mit Nachlässen sollen die Räder nun aus den Lagern. Pech für die Branche: Der nasse Frühling ließ die Geschäfte nur schleppend anlaufen.

„10 bis 15 Prozent Rabatt sind möglich“, sagte ZIV-Geschäftsführer Stork. In der Pandemie seien die Produktionskosten hochgeschossen. Nun normalisierten sie sich, Lieferkettenprobleme hätten sich zu „95 Prozent“ eingependelt. 

Alexander Giebler vom Pressedienst-Fahrrad aus Göttingen, glaubt, dass manche Händler Probleme bekommen, da ihre Kapitaldecke schmelze. Ein Massensterben erwartet er aber nicht. „Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, wird gut durch die Krise kommen.“

E-Bikes auf der Überholspur beim Verkauf

Diese Hausaufgaben dürften darin bestehen, genügend E-Bikes für den Verkauf bereitstellen zu können. Denn sie könnten 2023 erstmals öfter verkauft werden als traditionelle Räder. Schon 2022 wurde mit 2,2 Millionen E-Bikes ein Absatzrekord erreicht, während der Verkauf normaler Fahrräder um 300.000 auf 2,4 Millionen fiel.