Die Experten haben ausgerechnet, wie stark Gutverdiener von der Gaspreisbremse profitieren.
Die Experten haben ausgerechnet, wie stark Gutverdiener von der Gaspreisbremse profitieren. imago/MiS

Die Kritik an den Hilfen der Bundesregierung für Verbraucher in der Energiepreis- und Inflationskrise ebbt nicht ab. Vor allem die Gaspreisbremse steht am Pranger und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gehen die Beschlüsse nicht weit genug. Ihm fehle eine rasche Umsetzung der Gaspreisbremse und „eine Entlastung der Bürger schon im Oktober und November“, sagte Söder in Bild am Sonntag.

Außerdem verlangte der CSU-Chef massive Senkungen der Mineralöl- und Stromsteuer sowie eine Deckelung bei den Ölpreisen. Notwendig sei auch „ein spezielles Programm für Bäcker, Metzger und unzählige andere kleine Handwerksbetriebe des Mittelstandes“.

Entlastungspakete helfen nicht den Bedürftigen am meisten

Ähnlich wie Söder warnte auch der Sozialverband VdK davor, Entlastungen für Menschen mit öl- oder strombetriebenen Nachtspeicherheizungen zu vergessen. Es dürfe nicht sein, dass „Menschen im Kalten sitzenbleiben, weil ihnen das Geld für die hohen Rechnungen oder Abschlagszahlungen fehlt“, sagte dessen Vorsitzende Verena Bentele dem Magazin Focus. Auch die Preise für Heizöl und Abschläge für Strom sowie Nachtspeicherheizungen stiegen deutlich an.

Wie ungerecht die von der Ampelkoalition beschlossenen Entlastungspakete sind, hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schwarz auf weiß vorgelegt. Berechnungen der Experten nach profitieren Wohlhabende besonders stark von den Maßnahmenbündeln, die sich auf insgesamt 200 Milliarden Euro beziffern. „Es ist richtig von der Politik, angesichts der Schwere der Energiepreiskrise Geld in die Hand zu nehmen. Allerdings dominiert die Methode Gießkanne zu stark“, kritisierte der IW-Steuerökonom Tobias Hentze die Maßnahmen.

Wer sich eine größere Wohnung leisten kann, bekommt mehr Hilfen

Besonders deutlich werde dies am Beispiel Gaspreisbremse, so der Experte. Denn wer sich eine große Wohnung leisten kann und mehr Energie verbraucht, wird auch stärker entlastet! Insgesamt sparen Singles mit einem kleinen Einkommen von 25.000 Euro durch die staatlichen Hilfen 1510 Euro, bei Gutverdienern mit einem Bruttoeinkommen von 75.000 Euro sind es mit 2689 Euro fast das Doppelte.

Mit dem Einkommen steigt für Singles auch das Maß an Entlastung durch die Maßnahmenpakete der Bundesregierung.
Mit dem Einkommen steigt für Singles auch das Maß an Entlastung durch die Maßnahmenpakete der Bundesregierung. Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft

Bei Familien ist der Unterschied nach den IW-Berechnungen sogar noch größer: Eine vierköpfige Familie mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 45.000 Euro wird vom Staat insgesamt mit 2683 Euro unterstützt, eine Familie mit 75.000 Euro Einkommen wird um 3801 Euro entlastet.

Für die geplante Gaspreisbremse liegen bisher nur Vorschläge einer Expertenkommission vor, demnach werden für sie Kosten von 96 Milliarden Euro veranschlagt. Dem Kommissionsvorschlag zufolge übernimmt der Staat den Gas-Monatsabschlag für Haushalte und Gewerbe im Dezember. Und von März 2023 bis Ende April 2024 werden die Preise für 80 Prozent eines Grundkontingents auf zwölf Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Für den Rest bezahlen Gaskunden den vertraglich vereinbarten Arbeitspreis.

An zweiter Stelle der teuersten Posten in den Entlastungspaketen folgen die Steuersenkungen zum Ausgleich der kalten Progression mit 17 Milliarden Euro.

Auch bei Familien steigen die Entlastungen mit dem Einkommen.
Auch bei Familien steigen die Entlastungen mit dem Einkommen. Grafik: Institut der deutschen Wirtschaft

Die Entlastungspakete enthielten Maßnahmen, „die selbstverständlich sein sollten und nichts mit einer konkreten Entlastung gegen die Energiepreise zu tun haben“, monierte Hentze. Dazu gehörten der Ausgleich der kalten Progression und eine Erhöhung des Kindergeldes. Diese seien unabhängig von der akuten Krise ohnehin geplant gewesen. Auch das Bürgergeld und die Reform des Wohngeldes seien bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vorgesehen gewesen.

Defizite sieht das IW bei den Hilfen für Unternehmen. „Insbesondere der Mittelstand ist bedroht, schon jetzt bangen energieintensive Betriebe, beispielsweise Bäckereien und Papierverarbeitungsunternehmen, um ihre Existenz“, warnte das Institut. „Die Regierung sollte flächendeckend Steuerzahlungen stunden“, empfahl Hentze. Außerdem sollten Vorauszahlungen erstattet werden, um die Liquidität in den Unternehmen schnell zu verbessern.