Nach 171 Verhandlungstagen
Ex-Boss von Audi und zwei Mitangeklagte als Abgas-Betrüger verurteilt, aber sie sind frei
Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler, sein oberster Motorenentwickler und ein leitender Ingenieur bekamen wegen Abgas-Betrugs Bewährungsstrafen.

Das Landgericht München hat den ehemaligen Audi-Chef Rupert Stadler (60) zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Kammer sprach ihn am Dienstag nach 171 Verhandlungstagen des Betrugs schuldig. Auch die beiden Mitangeklagten – der frühere Chef der Motorentwicklung und spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der Ingenieur Giovanni P. – erhielten Bewährungsstrafen wegen Betrugs. Es sind die ersten strafrechtlichen Urteile in Deutschland im 2015 aufgedeckten Diesel-Skandal, der die Branche erschüttert und Milliardenschäden verursacht hat.
Die Staatsanwaltschaft hatte den Bewährungsstrafen für Stadler und P. im Rahmen einer „Verständigung“ zugestimmt und nur im Fall von Hatz eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung gefordert.
Derlei Deals sind erlaubt, weil dadurch Verfahren verkürzt werden können und es Schuldsprüche gegen Strafminderung geben kann, falls Freispruch wegen Mangels an Beweisen möglich wäre.
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Verurteilte müssen Millionen zahlen
Hatz wurde dann von der Kammer um den Vorsitzenden Richter Stefan Weickert zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, P. zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Zudem müssen alle drei Angeklagten hohe Bewährungsauflagen an die Landesjustizkasse Bamberg sowie an verschiedene gemeinnützige Vereine zahlen: Stadler 1,1 Millionen Euro, Hatz 400.000 und Giovanni P. 50.000 Euro. Sie müssen auch die Kosten des Verfahrens in Millionenhöhe tragen.
Bei Hatz will die Staatsanwaltschaft die Urteilsbegründung prüfen, bevor sie über Rechtsmittel gegen die Bewährung entscheidet. Rechtskräftig sind alle drei Urteile noch nicht.

Stadler ist als ehemaliger Audi-Chef zwar der prominenteste der drei Verurteilten, die Vorwürfe gegen Hatz und P. wiegen allerdings schwerer: Nach eigenem Geständnis hatten sie dafür gesorgt, dass die großen Dieselmotoren die Grenzwerte zwar auf dem Prüfstand einhalten, nicht aber auf der Straße.
Abgas-Schwindel wegen kaum erfüllbarer Forderungen von oben
Ziel war es, sich den nachträglichen Einbau größerer Adblue-Tanks für die Abgasreinigung zu sparen, nachdem sich Techniker des Konzerns verrechnet hatten. Abteilungsleiter P. soll damals von seinen Mitarbeitern „intelligente Lösungen“ gefordert haben, um die kaum erfüllbaren Erwartungen von oben zu erfüllen.
Stadler hatte jahrelang seine Unschuld beteuert. Erst nach dem Hinweis des Gerichts auf eine drohende Gefängnisstrafe gestand er im Mai, nach dem Auffliegen des Skandals 2015 in den USA den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten in Deutschland viel zu spät gestoppt zu haben. Nun ist er zwar als Betrüger verurteilt, kann aber das Gericht als freier Mann verlassen. Die Haftbefehle gegen alle drei Angeklagten, die bisher unter Auflagen außer Vollzug waren, wurden aufgehoben.
Stadler ließ den aufgedeckten Abgas-Betrug weiterlaufen
Stadler war 2007 Chef der Ingolstadter VW-Tochter geworden, als Nachfolger von Martin Winterkorn, der damals an die Konzernspitze wechselte. Unter Stadlers Führung hatte Audi Umsatz und Betriebsgewinn verdoppelt und Mercedes bei den Verkaufszahlen überholt. Die US-Behörden hatten Ende 2015 die Tricksereien bei VW-Dieselmotoren, wenig später auch bei großen Audi-Dieselmotoren bei den Modellen für den US-Markt aufgedeckt. Trotz zunehmender Hinweise auf Manipulationen auch bei den in Europa verkauften Modellen ließ Stadler den Verkauf hier aber bis Ende 2017 weiterlaufen.
Ab Juni 2018 saß er wegen Verdunkelungsgefahr für vier Monate in Untersuchungshaft, bis zu seinem Rücktritt als Audi-Chef und VW-Vorstandsmitglied. An den Volkswagen-Konzern hat er inzwischen 4,1 Millionen Euro Schadenersatz wegen Pflichtverletzung gezahlt.
Staatsanwalt Nico Petzka sieht die drei Angeklagten nicht als die Hauptverantwortlichen für den Dieselskandal. Es sei zweifelhaft, ob es überhaupt den oder die Hauptverantwortlichen geben könne, „wenn im Unternehmen so viele Beteiligte in die falsche Richtung laufen“, hatte er in seinem Schlussplädoyer gesagt.
VW-Manager stehen vor Gericht, weitere Audi-Verantwortliche sind angeklagt
In Braunschweig stehen seit September 2021 vier frühere Topmanager des Volkswagen-Konzerns wegen möglichen Betrugs in der Dieselaffäre vor Gericht. Das Verfahren gegen Winterkorn liegt krankheitsbedingt auf Eis.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat schon 2020 vier weitere ehemalige Audi-Manager angeklagt. Ob und wann dieser Prozess beginnt, ist noch offen. Gegen neun weitere Beschuldigte ermittelt die Staatsanwaltschaft noch.